Das zentralasiatische Kirgistan ist nicht gerade eine bedeutsame Säule der Belt&Road Initiative. Doch die aktuellen politischen Auseinandersetzungen, ausgelöst durch die Proteste gegen die Ergebnisse der Parlamentswahl am 4. Oktober 2020, werfen ein Schlaglicht darauf, wie verwundbar Chinas Prestigeprojekt BRI ist.
Autor-Archive:Uwe Hoering
Ambitionen in Afrika
Die Corona-Pandemie trägt dazu bei, die geopolitische Konfliktlage, in deren Zentrum die Konkurrenz zwischen China und den USA steht, zu verschärfen und neu zu konfigurieren. Verbündete sucht China besonders unter Ländern des Globalen Südens. Und es sieht so aus, als ob Peking in Afrika dafür durchaus gute Karten hat, trotz der durchwachsenen Erfahrungen mit seiner bisherigen Rolle.
Machtpolitik mit Maske
Die Meldungen klingen dramatisch: Zwei hochgerüstete Atommächte gehen Mitte Juni 2020 in einer unwirtlichen Grenzregion im Himalaja aufeinander los – wenn auch recht archaisch mit Knüppeln und Steinen. Bereits seit einiger Zeit werden vermehrt ähnliche Zusammenstöße zwischen chinesischem und indischem Militär gemeldet, unter anderem 2017 im Länderdreieck mit Bhutan.
Chinas weicher Unterleib
Zuhause mag Chinas Präsident Xi Jinping der starke Mann sein. Unter seiner Führung haben Regierung und Zentralkomitee die internen Fraktionen in der Kommunistischen Partei Chinas und eigenwillige Provinzchefs, Unmut in der Bevölkerung und die vielfältigen wirtschaftlichen Probleme anscheinend einigermaßen unter Kontrolle. Doch keine Frage: Corona hat auch China gebeutelt.
Chinas Tchernobyl?
Die Corona-Krise könnte »Chinas Tschernobyl« sein, orakelte ein Kommentator in der Zeitschrift ‚The Diplomat‘. Bricht China also bald auseinander – so wie die Sowjetunion fünf Jahre nach der Atomkatastrophe in der Ukraine am Ende war? Tatsächlich ist die Corona-Krise für die Regierung in Peking eine Herausforderung. Sie gefährdet ihre Ambitionen, die Volksrepublik bis 2049, ihrem 100. Gründungsjubiläum, zu einer vollumfänglichen Großmacht zu machen.
Coronavirus infiziert auch BRI
Die Lieferung von medizinischer Ausrüstung und die Entsendung von Ärzt*innen nach Italien nutzte Chinas Präsident Xi Jinping Mitte März 2020, um die mit der Weltgesundheitsorganisation WHO vereinbarte enge Zusammenarbeit an einer „Seidenstraße der Gesundheit“ öffentlichkeitswirksam ins mediale Scheinwerferlicht zu bringen. Beijing kann positive Nachrichten gebrauchen, wird die Covid-19-Krise doch von US-Präsident Donald Trump und anderen genutzt, um Chinas internationales Ansehen auszuhöhlen.
Ostwind gegen Westwind
Im Herbst 2013 skizzierte Xi Jinping in zwei Reden in Kasachstan und Indonesien die Landkarte der ‚Neuen Seidenstraßen‘ – zu Land und zu Wasser. Die Ankündigungen, die Welt infrastrukturell aufzurollen, ließ die China-Watcher, vor allem in den westlichen kapitalistischen Ländern, zu neuer Hochform bei der Interpretation der Absichten Pekings auflaufen.
Im Hinterhof der USA
Lateinamerika wird von Staatspräsident Xi Jinping als „natürliche Verlängerung“ der Maritimen Seidenstraße und als „unverzichtbarer Teilnehmer“ am Bau der Belt&Road Initiative umworben. Das milliardenschwere Investitionsprogramm zielt damit nach Europas südlicher und östlicher Peripherie auch auf den „Hinterhof“ der USA.
Innen hui, außen pfui
Mit der Ankündigung beim Klimagipfel in Paris 2015, bis spätestens 2030 den Scheitelpunkt der CO2-Emissionen zu erreichen, wurde die Volksrepublik China zu einem Hoffnungsträger im Kampf gegen den Treibhauseffekt. Beim 19. Parteitag der Kommunistischen Partei im Oktober 2017 bekräftigte Staats- und Parteichef Xi Jinping das Ziel, „Beteiligter, Mitwirkender und Fackelträger in einem globalen Streben nach einer ökologischen Zivilisation“ zu sein. Vom braunen Saulus, auf den man im Westen mit dem Finger zeigen konnte, um von eigener Untätigkeit abzulenken, wurde China zum grünen Paulus.
China gegen Indien
Bis in die frühen 1960er Jahre waren Indien und China als führende Mitglieder der Blockfreien-Bewegung enge Verbündete in der postkolonialen Weltordnung. Doch die Völkerfreundschaft fand ein abruptes Ende, als im Herbst 1962 die chinesische Armee auf umstrittene Gebiete im östlichen und westlichen Himalaja vorstieß und Indiens Militär eine schmachvolle Niederlage beibrachte. Immer wieder kommt es zu Provokationen und Scharmützeln wie im Sommer 2017 im Dreiländereck mit Bhutan. Sie machen deutlich: Indien und China konkurrieren um wirtschaftliche und politische Vormachtstellung und schrecken dabei nicht vor militärischen Drohgebärden zurück.