Vor zehn Jahren startete China in vielen Ländern vor allem des globalen Südens eine Initiative zum Ausbau von Handel und Investitionen. Auch wenn es um die „Neue Seidenstraße“ inzwischen ruhiger geworden ist – den weltpolitischen Einfluss Beijings hat sie deutlich gesteigert. Dem globalen Süden bietet sie Chancen auf einen Entwicklungsschub, der aber mit einer neuen Abhängigkeit von China einhergehen könnte. Vor die Wahl gestellt, sich im gegenwärtig eskalierenden Konflikt zwischen China und dem Westen zu entscheiden, ist die Haltung der meisten Länder des globalen Südens klar. Sie verorten sich irgendwo zwischen den Kontrahenten, halten die Beziehungen zu beiden Seiten aufrecht und versuchen deren Konkurrenz zu ihrem eigenen Vorteil zu nutzen.
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Internationalisierung des chinesischen Ordnungsmodells?
Der Aufstieg Chinas fand in mehreren Phasen einer staatlich initiierten Integration in die globalisierte Weltwirtschaft statt, darunter die 2013 verkündete Belt and Road Initiative (BRI). Diese Expansion wird als Ausdruck staatlicher Allmacht und als Umsetzung eines imperialen Machtstrebens betrachtet. Doch die Bedingungen für die Umsetzung der BRI unterscheiden sich wesentlich von den Möglichkeiten des chinesischen Staates auf nationaler Ebene.
Reglobalisierung auf chinesisch
Beim »Belt & Road Forum on International Cooperation« Mitte Mai 2017 in Peking versprach Staats- und Parteichef Xi Jinping ein »neues Goldenes Zeitalter der Globalisierung«, das durch die Initiative angeschoben werde. Zur Lösung der multiplen Krise, die 2007/08 begann, würde China der Welt »Gemeinschaftsgüter« wie Transportinfrastruktur, Energieversorgung und Telekommunikation »zur Verfügung stellen«.
Xi Jinpings Aushängeschild
Weltweit war das Rätselraten im Frühjahr 2020 groß, wie es angesichts einer globalen Pandemie mit dem ambitionierten chinesischen Infrastruktur- und Investitionsprogramm weitergeht. Unstrittig scheint, dass die Belt and Road Initiative (BRI), auch Neue Seidenstraßen genannt, heftig mit dem Virus infiziert wurde. Doch Corona hat nur Probleme verschärft, die bereits vorher bestanden. Wenn BRI tatsächlich dahinsiechen sollte, hätte das für Chinas Wirtschaft und Innenpolitik schwerwiegende Konsequenzen.
Highway oder Sackgasse?
Mit dem Bau der Neuen Seidenstraßen versprach China unter anderem einen weltweiten Schub für die Entwicklung vieler ärmerer Länder – die einzelnen Projekte aber stützen vor allem die wirtschaftlichen Interessen des «Reiches der Mitte». Viele der Projekte greifen massiv in die Natur ein und in die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort. Oder sie tragen zur Klimakrise bei.
Ambitionen in Afrika
Die Corona-Pandemie trägt dazu bei, die geopolitische Konfliktlage, in deren Zentrum die Konkurrenz zwischen China und den USA steht, zu verschärfen und neu zu konfigurieren. Verbündete sucht China besonders unter Ländern des Globalen Südens. Und es sieht so aus, als ob Peking in Afrika dafür durchaus gute Karten hat, trotz der durchwachsenen Erfahrungen mit seiner bisherigen Rolle.
Chinas weicher Unterleib
Zuhause mag Chinas Präsident Xi Jinping der starke Mann sein. Unter seiner Führung haben Regierung und Zentralkomitee die internen Fraktionen in der Kommunistischen Partei Chinas und eigenwillige Provinzchefs, Unmut in der Bevölkerung und die vielfältigen wirtschaftlichen Probleme anscheinend einigermaßen unter Kontrolle. Doch keine Frage: Corona hat auch China gebeutelt.
Chinas Tchernobyl?
Die Corona-Krise könnte »Chinas Tschernobyl« sein, orakelte ein Kommentator in der Zeitschrift ‚The Diplomat‘. Bricht China also bald auseinander – so wie die Sowjetunion fünf Jahre nach der Atomkatastrophe in der Ukraine am Ende war? Tatsächlich ist die Corona-Krise für die Regierung in Peking eine Herausforderung. Sie gefährdet ihre Ambitionen, die Volksrepublik bis 2049, ihrem 100. Gründungsjubiläum, zu einer vollumfänglichen Großmacht zu machen.
Coronavirus infiziert auch BRI
Die Lieferung von medizinischer Ausrüstung und die Entsendung von Ärzt*innen nach Italien nutzte Chinas Präsident Xi Jinping Mitte März 2020, um die mit der Weltgesundheitsorganisation WHO vereinbarte enge Zusammenarbeit an einer „Seidenstraße der Gesundheit“ öffentlichkeitswirksam ins mediale Scheinwerferlicht zu bringen. Beijing kann positive Nachrichten gebrauchen, wird die Covid-19-Krise doch von US-Präsident Donald Trump und anderen genutzt, um Chinas internationales Ansehen auszuhöhlen.
Ostwind gegen Westwind
Im Herbst 2013 skizzierte Xi Jinping in zwei Reden in Kasachstan und Indonesien die Landkarte der ‚Neuen Seidenstraßen‘ – zu Land und zu Wasser. Die Ankündigungen, die Welt infrastrukturell aufzurollen, ließ die China-Watcher, vor allem in den westlichen kapitalistischen Ländern, zu neuer Hochform bei der Interpretation der Absichten Pekings auflaufen.