Neuer Wettkampf um Afrika

China, Geopolitik und der Globale Süden

Uwe Hoering, 29. Januar 2024

Zum Jahresauftakt gingen die Außenminister Chinas und der USA kurz nacheinander auf Afrika-Tour. US-Regierungskreise bezeichneten das als Zufall, obwohl klar ist, dass der jeweilige chinesische Außenminister nach dem Motto von ‚Dinner for One’ seit drei Jahrzehnten seine erste Auslandsreise im neuen Jahr nach Afrika unternimmt.

Same procedure as last year

Die Reise des chinesischen Außenministers ist der Auftakt für das nächste, seit Oktober 2000 alle drei Jahre stattfindende Forum für die Zusammenarbeit von China und Afrika (FOCAC) im Herbst. Aus der Reiseroute von Wang Yi, der zwischen dem 13. und dem 18. Januar Ägypten, Elfenbeinküste, Togo, der Arabischen Liga und Tunesien Kurzbesuche abstattete, lesen die Auguren heraus, dass Beijing im Nahen Osten eine Vermittlerrolle übernehmen möchte und den sinkenden Einfluss europäischer Länder wie Frankreich in Afrika für sich nutzen will. Antony Blinken, der fünf Tage nach seinem Amtskollegen in Angola, Kapverden, Nigeria und ebenfalls der Elfenbeinküste aufkreuzte, hatte die Ankündigung von Infrastruktur-Investitionen im Gepäck. Zudem gehe es darum, einen chinesischen Marinestützpunkt, gerüchteweise geplant im zentralafrikanischen Äquatorialguinea, zu verhindern, während die Zukunft des US-amerikanischen Militärstützpunkts in Niger nach dem Militärputsch Ende Juli 2023 ungewiss ist.

Die Reisetätigkeit wirft ein Schlaglicht darauf, dass der neue ‚Scramble for Africa’ an Fahrt aufnimmt. Afrika hat dank Chinas globaler Ambitionen durch Kredite, Entwicklungsprojekte, Infrastrukturausbau und Handel erheblichen wirtschaftlichen Nutzen und politische Spielräume ausgeweitet. Im Gegenzug verstärkten die USA und Europa Anstrengungen mit Global Gateway und PGII, verbunden mit der Hoffnung, dadurch den in ihren Augen wachsenden Einfluss Chinas zu verringern. Doch so wie Blinken hinter Wang Yi herhinkt, so liegen US-amerikanische Investitionen und Handel weit zurück.

Kooperation statt Konkurrenz

Auf den ersten Blick sieht die Situation für Afrika im Großen Ganzen vorteilhaft aus: Der Kontinent wird nicht nur mit diplomatischer Aufmerksamkeit, sondern auch mit Angeboten und Versprechungen zugeschüttet. Regierungen können verhandeln, die Kontrahenten gegeneinander ausspielen, bessere Konditionen fordern. Und falls es stimmen sollte, dass China versucht, politischen Einfluss zu nehmen, könnten sie den Druck mit Verweis auf Alternativen mindern.

Bislang herrscht dabei allerdings Wildwuchs. Ein Beispiel sind die ins Kraut schießenden Pläne für neue Transportverbindungen und Häfen. Die gesunde wirtschaftliche Vernunft könnte den Beteiligten daher raten zusammenzuarbeiten. Projekte würden sich gegenseitig ergänzen, beispielsweise Bahnstrecken, die nicht wie in der Kolonialzeit nur der jeweiligen kolonialen Ausbeutung dienen, Wirtschaftszonen und Infrastruktur aufeinander abgestimmt werden, Doppelungen vermieden, Umsetzungsprozesse verschlankt werden. Planungsaufwand, Kosten und Verschuldung könnten so geringer sein.

Umgekehrt könnten westliche Unternehmen von chinesischer Effizienz und Erfahrung profitieren, chinesische Konzerne westliche Standards übernehmen. Bei vielen Großprojekten sind längst multinationale Konsortien am Start, mit chinesischen, europäischen und US-amerikanischen Konzernen, was eine innenpolitische Einflussnahme austarieren und trotzdem Geschäfte erlauben würde.

Transnationale Ausbeutung

Ein Modell dafür könnte der Lobito-Korridor sein, der in einigen Jahren die rohstoffreichen Länder DR Congo und Sambia im Herzen Afrikas mit Häfen in Angola am Atlantik verbinden soll, wie die Karte von Trafigura zeigt. Federführung haben die G7, die Afrikanische Entwicklungsbank AfDB, die mehrheitlich privatwirtschaftliche African Finance Corporation und die EU-Initiative Global Gateway. Auf Straße und Schiene würden dann kritische Rohstoffe wie Kupfer und Kobalt sowohl nach Westen als auch nach Osten transportiert.

„It will be impossible to avoid working with China on the Lobito project since Mota-Engil, partly owned by China Communications, signed an agreement to run the Lobito Corridor as part of the Trafigura consortium.” 

Global Construction Review, November 3, 2023

Am internationalen Konsortium, das die Strecke bauen und betreiben soll, sind unter anderem die Trafigura-Gruppe, einer der weltweit größten privaten Rohstoffhändler, und ein chinesisches Logistik-Unternehmen beteiligt. Der angolanische Umschlaghafen Lobito am Atlantik wird von der China International Trust Investment Corp CITIC betrieben, Häfen an Afrikas Ostküste werden von chinesischen Konzerne modernisiert. In der DR Congo mit den weltweit größten Kobalt- und erheblichen Kupfervorkommen ist der Bergbaugigant CMOC gerade zum größten Kobalt-Produzenten des Landes aufgestiegen, im benachbarten Sambia plant das Unternehmen CNMC, die Produktion in seiner Kupfermine auszuweiten. Chinesische Bergbaukonzerne könnten demnächst dann verstärkt sowohl China als auch die USA beliefern. 

„We manage complex supply chains to move minerals, metals and energy from where they are produced to where they are needed.

Website von Trafigura

Warmlaufen im neoimperialen Wettlauf

Aber noch sind solche transnationalen Allianzen bei der Ausbeutung Afrikas ein Einzelfall. Noch dominieren die Konkurrenz und konträre wirtschaftliche und machtpolitische Interessen auf beiden Seiten. Die Zuspitzung der geopolitischen Konfrontation wird inzwischen hinreichend ausgewalzt. Aber auch die kapitalistische Konkurrenz nimmt zu, vor allem um Rohstoffe und damit um den Sieg bei den angeblichen Zukunftsindustrien, von dem wiederum die jeweilige Stärke im geopolitischen Wettrüsten abhängen würde – Warmlaufen im neoimperialen Wettlauf um Afrika durch militärischen Einfluss und wirtschaftliche Dominanz wie einst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Doch wer weiß: Vielleicht bringen ja die immensen Erschließungs-, Verarbeitungs- und Transportkosten der Rohstoffe und das wachsende Selbstbewusstsein der Länder des Globalen Südens, ihre Ressourcen selbst zu nutzen, die Kontrahenten zusammen. Und irgendwann in einem Januar des Jahres 20xx fahren dann die beiden Außenminister gemeinsam für ein ‚Dinner for Two’ nach Afrika. Der Termin für den Besuch des chinesischen Amtsinhabers steht ja bereits fest.

Update 9. Februar 2024: Die Reaktion auf die Pläne, die Transportverbindung zwischen den Bergbauregionen in Zentralafrika und der angolanischen Hafenstadt Lobito am Atlantik auszubauen, ließ nicht lange auf sich warten: Nach langen Verhandlungen haben China und Sambia die Modernisierung der Mitte der 1970er Jahre mit chinesischer Unterstützung gebauten legendären Tazara-Bahn vereinbart, die Sambias Kupferbergbau mit der tansanischen Hafenstadt Dar es Salaam am Indischen Ozean verbindet. Die Finanzierung, die durch die China Development Bank erfolgen soll, ist tricky, da Sambia wegen seiner Überschuldung eigentlich keine neuen Kredite aufnehmen kann.

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