Gipfel-Konkurrenz um Afrika

China, Geopolitik und der Globale Süden

Uwe Hoering, 30. Januar 2023

Afrika ist begehrt, seine geopolitische und wirtschaftliche Bedeutung, vor allem bei strategischen Ressourcen, ist gestiegen. Mit zahlreichen Gipfeltreffen und vollmundigen Versprechen werden die Regierungen des Kontinents umworben, wobei insbesondere die Konkurrenz zwischen China und den USA an Fahrt aufnimmt. Dabei geht es nicht nur um die Position als Platzhirsch. Der Ausgang der Konkurrenz hat Auswirkungen auf die Energiewende. Wie in vielen Bereichen hat auch hier Beijing die weitaus besseren Konzepte.

Jährlich grüßt das Murmeltier

Es ist Tradition, dass die erste Auslandsreise eines chinesischen Außenministers im Neuen Jahr nach Afrika führt, und so ging auch der Neue, Qin Gang, Anfang Januar 2023 auf diplomatische Safari. Die fünf-Länder-Tour war regional ausgewogen, spiegelte aber auch wirtschaftliche und außenpolitische Interessen Beijings und Hoffnungen auf einen Aufschwung nach der Covid-Pandemie. Gerade finden Verschiebungen in Beijings wirtschaftlicher Strategie gegenüber Afrika statt. Und die 50+ Stimmen des Kontinents sind in multilateralen Institutionen wie den Vereinten Nationen enorm gewichtig.

Äthiopien, der erste Stopp auf der Tour, ist Chinas bedeutendster und verlässlichster Partner in Ostafrika. Mehr als 400 Unternehmen sind dort nach chinesischen Angaben im Energie- und im Infrastrukturbereich, vor allem aber auch in der Verarbeitungsindustrie engagiert. Problematisch die Schulden von offiziell mindestens rund 14 Milliarden US-Dollar, die die Regierung von Ministerpräsident Abiy Ahmed gerne umgeschuldet hätte. Der Waffenstillstand im Krieg mit Tigray verspricht eine Rückkehr zu geschäftsfördernder Normalität.  Zwei weitere Stationen bei wichtigen Partnern waren Angola, das sich gerade aus der Abhängigkeit von China zu lösen sucht, und Ägypten, wo chinesische Unternehmen an der neuen Hauptstadt mit bauen. Dazwischen lagen zwei kurze Zwischenstopps in den westafrikanischen Ländern Benin und Gabun, aus dem China Erdöl, Manganerz und Holz bezieht.

Die Reise von Qin Gang war aber weit mehr als das Prinzip ‚Und täglich grüßt das Murmeltier!’. Sie war ein wichtiges Signal im Konkurrenzkampf auf dem Kontinent. Afrika ist begehrt, seine geopolitische und wirtschaftliche Bedeutung, vor allem bei strategischen Ressourcen ist gestiegen: So türmt sich ein Gipfel-Gebirge auf: EU-Africa Summit im Februar vergangenen Jahres, der EU-Africa Business Summit im Juni dieses Jahres, der mit seinem Titel ‚Re-Energizing a Common Future’ eine Anleihe bei Beijings sprachlicher Blumigkeit macht, der Russland-Afrika Gipfel für ‚Frieden, Sicherheit und Entwicklung’ dann im Juli. Insbesondere war Gangs diesjährige Safari wohl auch eine Antwort auf den US-Africa Leaders Summit Mitte Dezember.

China First!

Bei dem hochrangigen Treffen in Washington stand auf der Tagesordnung ein breites Themenspektrum, von Ernährungssicherheit über globale Gesundheitsfragen bis hin zu Bildung. Aber das Kernanliegen war wohl doch die wirtschaftliche und politische Konkurrenz mit China – auch wenn nach dem Eindruck von Beobachtern „it was obvious that every official had been briefed not to mention one word: China“. Im August hatte die US-Regierung eine neue China-Strategie für Afrika südlich der Sahara veröffentlicht.

„Seit Jahren verlieren die USA in Afrika gegenüber China an Boden“

Seit Jahren verlieren die USA in Afrika gegenüber China an Boden: Die Exporte gingen seit 2014 um 30 Prozent zurück. Längst ist China mit 254 Milliarden US-Dollar Afrikas größter Handelspartner, ein Anstieg um 35 Prozent gegenüber dem Vorjahr und vier mal mehr als Afrikas Handel mit den USA. Auch bei Investitionen, Infrastrukturfinanzierung und ‚Entwicklungshilfe’ liegt China unter den vier wichtigsten Ländern. Seine Direktinvestitionen – und damit die Schaffung zum Beispiel von Arbeitsplätzen – liegen doppelt so hoch wie die der USA. Die Eröffnung von Nigerias erstem Tiefseehafen und die Grundsteinlegung in Mosambik für eines der größten Stahlwerke in Afrika südlich der Sahara mit einer geplanten Kapazität von 600.000 Tonnen, das bereits in diesem Jahr seinen Betrieb aufnehmen soll, sind Leuchtturmprojekte.

Chinas Direktinvestitionen und Handel sind konzentriert auf etwa zehn Länder, darunter Südafrika, DRCongo und Sambia, Angola, Nigeria und Ghana, und auf Infrastrukturprojekte, häufig, um Rohstoffe abzutransportieren. Ein wachsender Schwerpunkt ist aber die Verarbeitungsindustrie und der Ausbau digitaler Infrastrukturen, längst dominieren Konzerne wie Huawei den afrikanischen Markt. Auch versucht China verstärkt, die krass negative Handelsbilanz Afrikas zumindest etwas durch den Import von hochwertigen Agrarprodukten und den Abbau von Tarifen auf 98 Prozent aller Importe für viele der am wenigsten entwickelten Länder aufzuhübschen. Dass solche Großzügigkeit allerdings wenig bringt, wenn die Produktion und die Logistik nicht für die Nutzung der angebotenen Exportchancen ausreichen, zeigt sich an ähnlichen Offerten wie der EU-Initiative Everything But Arms (EBA).

Zudem versucht die Regierung laut einer Studie des Center for Global Studies an der Universität Bonn, Chinas Image als Bad Guy dadurch abzuschwächen, dass die Auswirkungen von Investitionen und Infrastrukturvorhaben auf die Umwelt und die sozio-kulturelle Situation stärker in den Blick genommen werden sollen – wie bei westlichen Unternehmen mit mäßigem Erfolg. Außerdem bemüht sich Beijing, sich vom Vorwurf zu befreien, Länder in die Schuldenfalle zu bugsieren, indem es im Rahmen der Initiative der G20-Länder zur Schuldenerleichterung nach eigenen Angaben mehrere Milliarden an Zahlungen gestrichen hat. Aktuell sind die Umschuldungsverhandlungen mit Sambia, das die Zahlungen eingestellt hat, ein Pilotprojekt für eine Kooperation zwischen Beijing, westlichen Gläubigern wie Frankreich und Internationalen Finanzinstitutionen wie dem Internationalen Währungsfonds.

„China ist führend in der Verarbeitung von als ’strategisch‘ erklärten Rohstoffen“

Chinas Präsenz in Afrika ist aber nicht nur für die USA problematisch, sondern hat auch Auswirkungen für die Energiewende: Denn China ist führend in der Verarbeitung von als „strategisch“ erklärten Rohstoffen und dabei, sich in Afrika den Nachschub zu sichern. Es wird erwartet, dass eine großer Anteil der Mineralien, die für die Produktion von Akkus für E-Autos benötigt werden, aus Afrika kommen werden. Auch wenn westliche Bergbaukonzerne immer noch die meisten Minen in Afrika betreiben, sind sie zögerlich mit neuen Investitionen und verlieren an Boden gegenüber chinesischen Investoren, etwa in die Kobalt-Gewinnung in der DR Congo und im Lithium-Abbau in Zimbabwe. Die Vorkommen in Afrika gelten als die wirtschaftlichsten weltweit. Vor allem aber dominiert China die Verarbeitung von Kobalt, Mangan oder Graphit. So dämmert inzwischen auch in den Industrieländern die Erkenntnis, dass China auf dem besten Weg ist, sie an die Lieferkette zu nehmen bei ihrem angekündigten Übergang zu einem grünen Kapitalismus.

…. und gebar eine Maus

Vom US-Africa Leadership Summit im Dezember in Washington wurde nun ein „seismic shift in relations with the continent“ erwartet, so Carnegie Endowment for International Peace. Eine erste Bestandsaufnahme liest sich hervorragend und scheint diese Einschätzung zu bestätigen: Die Zahl der anwesenden ‚Leaders’ aus Afrika war ähnlich hoch wie bei den bisherigen FOCAC-Gipfeln, den Treffen des Forum on China-Africa Cooperation. Die Finanzmittel, die in Washington für die nächsten drei Jahre für Investitionen „in ways that advance shared U.S. and African priorities“ im Rahmen der Agenda 2063 der Afrikanischen Union  zugesagt wurden, übertreffen Chinas 40 Milliarden US-Dollar  beim 8. FOCAC-Treffen 2021 und Russlands 12,5 Milliarden beim ersten Russland-Afrika-Gipfel 2019.

Zudem wurde eine lange Liste von Initiativen mit Beträgen zwischen 800 Millionen  und 90.000 US-Dollar veröffentlicht. Darunter sind allerdings keine echten Leuchtturmprojekte, weder im Infrastrukturbereich, noch bei Investitionen in Industrien oder im Bergbau. Bei einigen dieser Initiativen handelt es sich anscheinend um bereits existierende Projekte, bei anderen ist die Finanzierung noch nicht gesichert. Erwartet wird zudem eine Beteiligung von privaten Investoren mit mindestens 50 Prozent. Zudem fließt das Geld für Gesundheits- und Ernährungsprogramme in sogenannte ‚Globale Fonds’, die die USA entweder selbst kontrollieren oder auf die sie einen entscheidenden Einfluss haben. Die Ankündigungen beim Leaders Summit ähneln damit den vollmundigen Erklärungen der Biden-Initiative B3W vom Sommer 2021, die bislang wenig konkrete Ergebnisse vorweisen kann.

„Der US-Regierung fehlen ein strategisches Konzept und Kontinuität“

Ob daher der Gipfel tatsächlich „marked a turning point in the United state’s foreign policy regarding Africa“, wie die Zeitschrift The Diplomat meint, ist zu bezweifeln. Wirkungen werden sich bestenfalls in einigen Jahren zeigen. Es fehlen ein strategisches Konzept und Kontinuität wie die alljährliche Safari von Chinas Außenministern nach Afrika. Während niemand weiß, wann ein weiterer US-Afrika-Gipfel stattfinden wird, steht, verlässlich wie ein Uhrwerk, das 9. Forum für China-Afrika Kooperation bereits für 2024 in den Terminplänen.

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