Upgrading von Belt&Road auf BRI 3.0?

China, Geopolitik und der Globale Süden

Uwe Hoering, 24. Oktober 2022

Im Bericht des Generalsekretärs Xi Jinping für den 20. Nationalkongress der Kommunistischen Partei Chinas wurde Belt&Road nur noch am Rande erwähnt. Auch in den Reden anderer Spitzenpolitiker taucht das einstige Vorzeigeprojekt, mit dem die Regierung in Beijing seit 2013 den globalen Entwicklungsdiskurs aufmischte, kaum noch auf. Manche Beobachter wollen BRI daher bereits für tot erklären.

Tatsächlich gingen die Mittel für konventionelle Infrastruktur wie Fernstraßen, Bahnlinien und Pipelines und für fossile Energieträger seit vier Jahren, also schon vor der Corona-Pandemie, deutlich zurück. 2021 betrugen sie nur noch rund  70 Milliarden US-Dollar, gegenüber 110 Milliarden drei, vier Jahre zuvor. Der Absturz setzte sich in den ersten sechs Monaten dieses Jahres dramatisch fort.

Die Gründe dafür sind vielfältig: Zunehmende Kritik und viele Umsetzungsprobleme kratzten am Image. Dazu kommen Chinas interne wirtschaftliche und finanzielle Probleme und die wachsende Konfrontation mit den USA und westlichen Alliierten, die eine Konzentration auf die Stärkung der eigenen wirtschaftlichen Situation notwendig machten.

Aber es wäre zu früh, BRI für tot zu halten. Stattdessen könnte es sein, dass sie gerade neu aufgestellt wird. Das Motto dafür ist Qualität statt Quantität’. Selbstkritisch erklärte Xi inping bereits 2019 beim Belt and Road International Development Forum, „BRI must be open, green and clean“. Danach sprachen Medien bereits von einer ersten Erneuerung, von BRI 2.0.

Weniger Großzügigkeit, mehr Wirtschaftlichkeit

Um der Kritik zu begegnen und die eigenen Verluste zu verringern, sollen Vorhaben, die wirtschaftlich, finanziell oder politisch besonders riskant sind, besser geplant und kontrolliert werden. Notfalls sollen sie auch eingestellt werden, wie in Pakistan wegen wirtschaftlicher Probleme oder wie ein Kohlekraftwerk in Kenia nach erfolgreichen Umweltschutzprotesten. Kohle wurde weitgehend aus dem Portfolio gestrichen. Vorgaben wie die im Juli 2021 verkündeten Green Development Guidelines for Overseas Investment and Cooperation unterstreichen den grünen Anspruch. Gleichzeitig sanken die Kredite der staatlichen Entwicklungsbanken China Development Bank und Export-Import Bank of China, während das finanzielle Engagement kommerzieller chinesischer Banken und Unternehmen stieg.

„Anstelle vollmundiger Ankündigungen wird Belt&Road pragmatischer, kommerzieller und setzt stärker auf Schwellenländer“

Anstelle vollmundiger Ankündigungen wird Belt&Road pragmatischer, kommerzieller und setzt stärker auf Schwellenländer – für die Energieversorgung auf den Mittleren Osten als ein zweites Standbein neben Zentralasien und Russland, bei strategischen Rohstoffen für die Energiewende auf Lateinamerika und einige ausgewählte Länder in Afrika wie Mosambik und DR Congo. Beijing ähnelt damit in seiner Politik mehr und mehr westlichen Gebern.

Als Ersatz für jene Länder des Globalen Südens, die nicht in diese Neuausrichtung passen, verkündete Präsident Xi Jinping im September 2021 eine Global Development Initiative. Sie soll die Agenda 2030 der Vereinten Nationen unterstützen, erhält aber bislang weitaus weniger Mittel, als nach wie vor für BRI aufgebracht werden.

Technologisches Upgrading

Zudem verschiebt sich das Projektportfolio hin zu neuen Technologien: Zum einen zu Digitalisierung, die bereits als ‚Digitale Seidenstraße’ gehandelt wird, darunter ein neues Großprojekt für den Ausbau eines 5G-Internets der Dinge. Außerdem boomt durch Verlagerung hin zu Photovoltaik und Windenergie inzwischen eine ‚grüne’ Seidenstraße’ : Zahlreiche Solaranlagen, Megawatt-Windparks, eine Fabrik für Elektro-Fahrzeuge, die der Autohersteller BYD in Thailand errichten will. Die Zahlen für das erste Halbjahr 2022 zeigen einen Anstieg der BRI-Projekte im Technologie-Sektor um rund 300 Prozent. Damit flankieren BRI-Projekte die massiven chinesischen Auslandsinvestitionen in diesen Bereichen. Zudem verzeichnet der Gesundheitsbereich einen Anstieg um über 200 Prozent, während der Anteil der Logistik-Branchen sank.

Kein Wunder, wenn Beijing mit solchen Angeboten attraktiv bleibt als Alternative zu westlichen Industrieländern mit ihren komplexen Finanzierungsstrukturen, risikoscheuen Privatunternehmen und ‚Reform’-Auflagen. BRI 3.0 kommt den Plänen vieler Länder zum Ausbau erneuerbarer Energien wie in Lateinamerika und Bestrebungen wie in Malaysia, zum ‚Pioneer in digital content and cybersecurity in the regional market’  zu werden, entgegen. Diese Länder „explore new growth points and development paths in the long run“, jubelt Chinas Botschafter in Malaysia. Verbunden damit ist eine Hoffnung, in der Wertschöpfungskette aufzusteigen. Führte China im vergangenen Jahrzehnt öffentlichkeitswirksam vor, wie man in den BRI-Ländern die ‚Infrastrukturlücke’ verringert, verspricht es jetzt ein technologisches ‚Leap frogging’, einen großen Sprung auf der Technologie-Leiter, der auf der Grundlage des Ausbaus konventioneller Infrastruktur einen neuen Modernisierungs- und Entwicklungsschub bringen soll.

Wirtschaftlich erfolgreichere Länder wären dann auch eher in der Lage, ihre Schulden zu begleichen. Denn die weltweite Überschuldung wird für Beijing als einem der größten bilateralen Gläubiger zum finanziellen Risiko. Ökonomen der Weltbank schätzen, dass rund 60 Prozent aller BRI-Kredite an Länder vergeben wurden, die sich in finanzieller Schieflage befinden. Damit sitzt Beijing nolens volens mit im (sinkenden?) Boot der internationalen Gläubiger.

Public Private Partnership

Um die Probleme mit BRI-Projekten zu verringern, wird zudem die verstärkte Kooperation mit der Privatwirtschaft gesucht: BRI soll ‚offener’ werden, wie das in Xi Jinping-Speak heißt. Bislang waren vor allem Staatsunternehmen beteiligt, die sich politischen Zielen eher anpassen ließen. Erkennbar werden jetzt Bestrebungen, das Engagement privater Unternehmen zu fördern, etwa durch sogenannte Public Private Partnership. Dazu gehören in vorderster Linie Kommunikationskonzerne und die Industrien für Photovoltaik und Windenergie, die in den ersten Phase trotz ihrer Kapazitäten kaum an BRI beteiligt waren. Gesucht werden aber auch Joint Ventures mit ausländischen Konzernen. So hat der japanische Handelskonzern Sumitomo Corp. gerade eine Zusammenarbeit mit einem indonesischen Partnerunternehmen von PowerChina vereinbart, um gemeinsam das Wasserkraftwerk Kayan Cascade in Borneo umzusetzen, ein Milliarden schweres, prestigeträchtiges BRI-Projekt. Und der französische Erdölkonzern Total treibt gemeinsam mit der China National Offshore Oil Company die umstrittene Erschließung von Erdölfeldern in Ostafrika voran.

BRI wird noch gebraucht

Diese Verschlankung, Kommerzialisierung und Modernisierung von Belt&Road unterstützt damit auf globaler Ebene den Plan für die wirtschaftliche Zukunft Chinas‚ den Präsident Xi jinping jüngst beim 20. Parteikongress mit der Förderung von Künstlicher Intelligenz, Informationstechnologien und neuen Energien als neuen Wachstumsmotoren umrissen hat. BRI bleibt in einer Zeit, in der “uncertainty and unpredictable factors are increasing”, ein Mittel der ‚Entwicklungs-Sicherheit’, um Binnen- und Außenwirtschaft aufeinander abzustimmen und die Entflechtung von westlichen Industrieländern abzufedern, wie es die 2021 verkündete Dual Circulation Strategy anstrebt. Bereits beim 16. Parteikongress 2002 wurde der diplomatische Ansatz formuliert: “big powers are the key; neighbours are paramount; developing countries are the foundation; and multilateralism is an important stage.”

„Ob BRI tatsächlich neue Vitalität eingehaucht werden kann oder es zum Zombie wird, ist offen.“

Noch ist es zu früh zu beurteilen, ob dieses Upgrading erfolgreich sein wird. Aber Totgeschwiegene oder Totgesagte sind nicht unbedingt wirklich tot. Ob BRI tatsächlich neue Vitalität eingehaucht werden kann oder es zum Zombie wird, der am Leben gehalten wird, weil er nicht sterben darf, ist offen. Vorerst ist Belt&Road aber auch weiterhin ein attraktives Versprechen, um ökonomische Entwicklung im Globalen Süden voranzutreiben. Damit ist es nach wie vor einem westlichen Ansatz überlegen, der in der ‚systemischen Konkurrenz’ wesentlich auf einen politischen Wertediskurs im Verhältnis zum Globalen Süden  setzt (einschließlich ‚Naming and Shaming‘ autoritärer Partnerländer Chinas), aber mit den angekündigten wirtschaftlichen Alternativen wie PGII, Global Gateway oder IPEF nicht so recht zu Potte kommt.

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