Erwartungen an FOCAC 2024

China, Geopolitik und der Globale Süden

Uwe Hoering, 30. August 2024

Gewohnt hochtrabend das Motto des diesjährigen neunten Gipfeltreffens des Forums für Zusammenarbeit zwischen China und Afrika (FOCAC) Anfang September in Beijing: “Joining Hands to Advance Modernization and Build a High-Level China-Africa Community with a Shared Future.” Gewohnt gebetsmühlenartig auch der Fokus der China-Watcher, die das Treffen in den Kontext der „zunehmenden Rivalität zwischen China und dem Westen auch in Afrika“ stellen. Misstrauisch wird jede Bewegung ‚Chinas’ beäugt und befürchtet, dass ‚der Westen’ dadurch ins Hintertreffen geraten könnte. Dabei wird gerne vergessen, dass der Westen für die chinesischen Erfolge in ‚Afrika’ auch ein gutes Stück selbst verantwortlich ist – durch unterlassene Entwicklungsbeiträge und durch postkoloniale Ignoranz und Überheblichkeit.

FOCAC selbst ist kaum mehr als eine Show-Veranstaltung in ‚Community building’. Das Forum ist weitgehend symbolisch, vor allem eine Art Kontakthof, bei dem finanzielle Zusagen für politische Liebesdienste verhandelt werden. Die einzigen messbaren Erfolgs-Indikatoren für das Verhältnis zwischen ‚China’ und Afrika’ sind die Teilnehmerzahl und die Finanzierungsversprechungen und die Frage, ob sie höher oder niedriger sind als beim letzten Mal 2021. Was sich außerdem noch in Hinterzimmern oder bei Arbeitsessen abspielt, ist, wie gesagt: Kontakthof.

Diese Indikatoren sagen allerdings wenig darüber aus, warum der Rivale ‚China’ in ‚Afrika’ ankommt. Viel wichtiger sind andere Kooperationen, allen voran natürlich Belt&Road. Und viel  aussagekräftiger sind Zahlen über Handel, Schulden und Investitionen.

Überschätzte Dominanz

Im vergangenen Jahr war China mit rund 16 Prozent der Importe und 20 Prozent der Exporte und einem Handelsvolumen von 282 Milliarden US-Dollar der wichtigste bilaterale Handelspartner für Afrika südlich der Sahara. Es blieb ein weitgehend  ungleicher Tausch:  Rohstoffe gegen Verarbeitungsprodukte. Und mit einem kräftigen Bilanzüberschuss für China. Interessant dabei, dass China und Europa sowohl bei Importen als auch bei Exporten ungefähr gleichauf liegen, aber der Handel innerhalb des Kontinents erheblich gewachsen ist, während die USA völlig marginalisiert wurden.

Ähnlich wie beim Handel wird Chinas Anteil an Afrikas Verschuldung, ein beliebter Indikator für eine angebliche Abhängigkeit, verbreitet überbewertet. Nach Angaben des IMF war Beijing lediglich für eine Handvoll von Ländern wie Angola, Äthiopien, Kenia und der Republik Congo (DRC) der größte Gläubiger. Insgesamt wuchs Chinas Anteil an der gesamten öffentlichen Auslandsverschuldung bis 2021 auf 17 Prozent, den weitaus größten Teil halten Internationale Finanzinstitutionen und vor allem private Banken und Investoren.

Während Beijing erhebliche Kredite für den Infrastrukturausbau bereitstellte, die sich jetzt in manchen Fällen als Schuldenberg darstellen, lagen die Investitionen auf ihrem Höhepunkt 2022 bei fünf Milliarden US-Dollar, gerade einmal 4,4 Prozent der gesamten ausländischen Direktinvestitionen (FDI). Ebenso wie die Kredite sind sie in den vergangenen vier, fünf Jahre drastisch gesunken, teils aufgrund von Chinas eigenen wirtschaftlichen Problemen, teils aufgrund eines höheren Risikobewusstseins bei Banken und Unternehmen.

Chinas wirtschaftliches Gewicht in Afrika ist also weitaus geringer, als es in Europa oder den USA empfunden wird. Die Dramatisierung der ‚Rivalität’ ist zum einen ein Ablenkungsmanöver angesichts eigener, jahrzehntelanger Versäumnisse, zum anderen spiegelt sie die Sorge vor einem wachsenden Selbstbewusstsein gegenüber den einstigen Kolonialmächten.

Erwartungen an FOCAC 2024

Mit der globalen Krise, der geopolitischen Konfrontation und der energetischen Modernisierungsstrategie in den Industrieländern bekommt die „Rivalität“, bei der insbesondere Europa seinen historischen Wettbewerbsvorteil schwinden sieht, eine neue Bedeutung.

Zum einen versuchen westliche Initiativen mit Gateway Europe oder der G7-Partnerschaft für Globalen Infrastrukturausbau reichlich verspätet dem Erfolg von Belt&Road etwas entgegen zu setzen. Doch es hapert an Geld, an privaten Investoren und an politischer Glaubwürdigkeit.

Umgekehrt zeichnet sich auf Seiten Beijings nach der Zurückhaltung der jüngeren Vergangenheit ein Umdenken ab. Es gibt erste Hinweise auf eine wieder steigende Kreditvergabe, der Wirtschafts-Informationsdienst Bloomberg meldet im ersten Vierteljahr 2024 einen raschen Anstieg von chinesischen Auslandsinvestitionen, vorrangig im Globalen Süden. Zentral dabei der Bereich kritische Rohstoffe. Zudem findet eine Verschiebung weg von großen Infrastrukturprojekten hin zu „Neuer Infrastruktur“ wie Telekommunikation, Finanztechnik und neue Energien, die bis 2022 nur einen Anteil von zwei Prozent hatten, statt. Zudem sind inzwischen 70 Prozent der rund 3.000 chinesischen Unternehmen, die in Afrika investieren, privatwirtschaftliche Unternehmen.

Umworben durch Europa, die USA und China können sich Afrikas Regierungen bequem zurücklehnen und ihre Handlungsoptionen ausreizen. Das gilt auch für FOCAC 2024: „The utility of FOCAC for Africa is increasing tied to Africa’s ability to set the agenda“, schätzt Cobus van Staden, Chefredakteur des China Global South Project (CGSP). Zwar fehlen konkrete Informationen, was in Beijing auf der Tagesordnung stehen wird. Doch die Erwartungen auf afrikanischer Seite sind hoch. Wirtschaftlich sehen Beobachter zwei Kernanliegen: Eine Beschleunigung des Handels, insbesondere der Exporte nach China, und den weiteren Ausbau insbesondere von erneuerbaren Energien als Voraussetzung für eine Industrieansiedlung.

Ungedeckte Wechsel

Genährt werden solche Erwartungen durch vollmundige Versprechungen aus Beijing wie die „praktische Unterstützung für Afrikas Modernisierungspfad“ und Bemühungen, die Agrarimporte aus Afrika bis 2030 auf 20 Milliarden US-Dollar zu verdoppeln. Vor diesem Hintergrund erwartet Chido Munyati von World Economic Forum (WEF), dass „now, China-Africa economic relations are entering a new chapter as both face a global economic slowdown.“ Handel und Investitionen werden demnach verstärkt durch private Unternehmen vorangetrieben, die 2021 vereinbarte African Continental Free Trade Area (AfCFTA) könnte diese Entwicklungen beschleunigen. „Strong regional value chains will be vital to the next chapter of China and Africa’s economic relationship,“ meint Munyati.

Die Einschätzungen, ob solche Erwartungen durch FOCAC 2024 einen weiteren Schub bekommen, sind allerdings durchaus gegensätzlich: Paul Nantulya vom Africa Center for Strategic Studies hofft, dass „by focusing on strategic market access, value addition, popular inclusion, and economic transformation, we can ensure that this partnership truly serves the interests of the African people.“ Eric Olander vom CGSP ist dagegen skeptischer: „The fact is, we know very little about how many of the FOCAC promises made over the past 24 years were ever kept.“ Ohne größere Transparenz und Rechenschaftspflicht werde der gesamte Prozess an Glaubwürdigkeit verlieren. Dann könnte „this once dynamic gathering become increasingly irrelevant.“

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