Lebenszeichen zum BRI-Jubiläum

China, Geopolitik und der Globale Süden

Uwe Hoering, 21. Oktober 2023

Etwas verschämt fand Mitte Oktober das 3. Belt and Road Forum statt, nachdem der Termin lange unklar gewesen war. Natürlich forderte das zehnjährige BRI-Jubiläum zum Vergleich heraus: Gegenüber den beiden Vorläufer-Treffen 2017 beziehungsweise 2019 kamen dieses Mal weitaus weniger Staats- und Regierungschefs und Delegationen nach Beijing.

 Foto auf dem offiziellen Twitter-Account des Sprechers des chinesischen Außenministeriums

Kritiker wollen im ausgedünnten ‚Familienfoto‘ ein Zeichen sehen, dass Beijings Versuch, sich mit Belt and Road wirtschaftlich und politisch Freunde zu sichern, immer weniger zieht. Das Fernbleiben der meisten, früher zahlreichen Besucher aus Europa stärkte den Eindruck, dass das einstige Prestigeprojekt einer neuen Globalisierung zu einem weiteren Baustein in der geopolitischen Nord-Süd/Ost-West-Konfrontation und der ökonomischen „Fragmentierung“ schrumpft. Aber auch aus Afrika, dem Nahen Osten, aus Lateinamerika und sogar aus der unmittelbaren Nachbarschaft Chinas kamen weniger hochrangige Vertreter – sei es aufgrund von Gipfelmüdigkeit, wie Shannon Tiezi in The Diplomat vermutet, sei es aufgrund einer Verlagerung auf bilaterale Beziehungen. Angesichts zahlreicher mehr oder minder demokratischer Länder wie Nigeria, Mongolei, Chile und Indonesien taugt das Forum allerdings auch nicht als Beleg für einen weiteren Schritt hin zu einer Blockbildung, und noch viel weniger zum Zeichen einer Frontstellung “Demokratie“ versus „Autokratien“.

Ohne Frage hat BRI an Attraktivität verloren. Wirtschaftliche und politische Probleme, verbreitete Kritik an ökologischen und sozialen Verwerfungen, Corona-Pandemie und die Zuspitzung der geopolitischen Konfliktlagen haben Brüche und Veränderungen gebracht. Aber die Zählung der anwesenden Köpfe bedeutet noch lange nicht, dass BRI am Ende wäre. Denn es gibt auch andere Zahlen: So sei die Zahl der BRI-Projekte im dritten Quartal 2023 von 257 im Vorjahr auf 304 gestiegen, mit Verschiebung auf Afrika, Zentralasien und die südostasiatischen ASEAN- Länder. Das ist zwar nur eine Momentaufnahme und erst recht keine Trendaussage, ebensowenig wie die Ansage, dass Kredite und Investitionen in der ersten Jahreshälfte 2023 auf 43.3 Milliarden US-Dollar gegenüber 35 Milliarden in den ersten sechs Monaten 2022 angestiegen seien. Aber sie zeigen, dass Belt and Road sowohl für die beteiligten Länder als auch für die Regierung in Beijing, die zusätzliche 100 Milliarden US-Dollar ankündigte, nach wie vor wichtig ist.

Gemischtwarenladen

Natürlich dominierte in Beijing die übliche Gipfelrhetorik. In einem White Paper des Staatsrats und der Rede von Präsident Xi Jinping wurden Erfolge wie der Ausbau von Infrastruktur, Energieversorgung und Handel herausgestellt, das Ziel bekräftigt, die Initiative ‚small, green and clean’ zu machen und die ehrbaren Absichten der chinesischen Initiatoren einmal mehr betont. Die bisherige breite Palette von Aktivitäten, Ankündigungen und Versprechungen wurde aber auch erweitert: Mit dem „new focus in Chinese rhetoric on promoting host country agency“, den Shannon Tiezzi beobachtet hat, wird versprochen, unüberhörbaren Forderungen nach mehr Mitsprache bei der Gestaltung von Abmachungen entgegen zu kommen. Initiativen wie die Stärkung der Digitalen Seidenstraße, die Förderung zentralasiatischer Transportverbindungen wie des Mittleren Korridors und des Nord-Süd-Transportkorridors, der Arktischen Seidenstraße gemeinsam mit Russland und einer multinationalen ‚Global Artificial Intelligence Governance Initiative’ versprechen, neue Perspektiven zu eröffnen.

So lässt sich aus der Veranstaltung wenig herauslesen – weder eine großartige Bestätigung der Initiative, noch ein klares Signal dafür, dass nun die Länder des Globalen Südens massenhaft von der Fahne gehen würden. Für Beijing ist Belt and Road nach wie vor ein Instrument, um die eigenen, inneren Krisen durch eine Dual Circulation Strategy zu mildern und die Festigung von Allianzen zu fördern, für die beteiligten Länder bleibt sie attraktiv. Das war eigentlich schon vorher klar, doch um es vor der Weltöffentlichkeit zu bestätigen, musste dann doch ein ‚Familienfoto’ her.

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