BRI 10 years after: Geringe Feierlaune

China, Geopolitik und der Globale Süden

Uwe Hoering, 27. Juli 2023

Ganz kommt die chinesische Regierung wohl nicht darum herum, den 10. Jahrestag des Kick Offs der Belt&Road Initiative, damals noch OBOR, durch Staats- und Parteichef Xi Jinping 2013 in Kasachstan und Indonesien zu würdigen. Lange blieb unklar, wie diese Würdigung ausfallen würde, jetzt mehren sich die Anzeichen, dass es vielleicht ein 3. Belt&Road Forum for International Cooperation im Herbst geben könnte. Doch falls das trotz des inzwischen knappen zeitlichen Vorlaufs stattfinden sollte, wird es wohl schwierig, den Auftrieb von Delegationen aus aller Welt wie bei den ersten beiden Treffen 2017 und 2019 zu toppen.

Denn die Zeiten für Belt&Road haben sich geändert. Zunächst wurden die Finanzmittel und die Zahl der Projekte zurückgefahren. Dann kamen Corona und wirtschaftliche Probleme weltweit, nicht zuletzt auch massiv in China selbst, im Februar 2022 dann die russische Invasion in der Ukraine. Vielfältige Probleme mit Belt&Road-Projekten dämpfen den Enthusiasmus. Regierungen werden aus Furcht vor Überschuldung und chinesischem Einfluss selbstbewusster bei Verhandlungen mit Beijing, mit westlichen Konkurrenzangeboten wie Global Gateway und B3W der G7 haben sie zudem andere Alternativen. Dazu rückt der Konflikt mit den USA in den Vordergrund der chinesischen Außenwirtschaft und Geopolitik.

In letzter Zeit wird das einstige Vorzeige-Vorhaben denn auch „klein und schön“ geredet, so von Xi Jinping höchstselbst im November 2021. Seither wurde Belt&Road vor allem in westlichen Medien vielfach für komatös erklärt. Doch das könnte ein Irrtum sein: BRI mag zwar weniger sexy geworden sein, sprich: weniger ambitioniert, finanziell weniger großkotzig und die Begleitmusik weniger laut – aber sie ist bei Weitem nicht tot.

Konkurrenz verbessert das Image

Allerdings bekommt sie Konkurrenz aus dem eigenen Haus: Im September 2021 kündigte Xi Jinping vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen eine neue Entwicklungsinitiative an, die Global Development Initiative. Ein Jahr später zählte die ‚Gruppe der Freunde der GDI’ bereits mehr als 60 Länder. Im Unterschied zu Belt&Road mit ehrgeizigen Infrastrukturvorhaben und Milliarden-Investitionen nähert sie sich mit ihren Zielen wie Armutsminderung, Verbesserungen im Gesundheitssektor, Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Zusammenarbeit mit Zivilgesellschaft und internationalen Organisationen wie dem UN Entwicklungsprogramm UNDP an westliche Entwicklungskonzepte und die Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen an. Signifikant denn auch der Ort ihrer Ankündigung, der Chinas Unterstützung für den Multilateralismus signalisieren und dem Vorwurf bilateraler Eigeninteressen entgegenwirken sollte.

Auch die GDI-Projektsteuerung, die bei der 2018 ins Leben gerufenen China International Development Cooperation Agency (CIDCA) liegt, und die Finanzierung durch Zuschüsse statt durch Kredite über einen Global Development and South South Cooperation Fund (GDSSCF) sind weniger anrüchig als die staatlichen Institutionen und Banken bei Belt&Road. Der Entwicklungsschub, den die GDI verspricht, soll zudem helfen, Konflikte in der Welt zu verringern und damit eine weitere neue multilaterale Gründung, die im April 2022 vorgeschlagene Global Security Initiative (GSI) untermauern. Ergänzt wird der chinesische Multilateralismus-Aktivismus, der erkennbar auf einen engeren Schulterschluss mit Ländern des Globalen Südens abzielt, unter anderem durch eine Global Initiative on Data Security und eine Global Civilization Initiative.

Es lebe BRI!

Im Windschatten dieser vielfältigen anderen ‚Initiativen‘ läuft Belt&Road allerdings weiter, wenn auch abgespeckt und runderneuert. Mit knapp 68 Milliarden US-Dollar lagen im vergangenen Jahr (2022) die Mittel dafür 17 mal höher als die Zusagen für die Entwicklungsinitiative GDI. Die neuen Schwerpunkte, die sich herauskristallisieren, spiegeln nach wir vor deutlich wirtschaftliche Eigeninteressen: Eine stärkere Konzentration auf Chinas unmittelbare Nachbarschaft wie Süd-, Südost- und Zentralasien, auf eine post-fossile Modernisierung, sowohl durch den Export von grünen Energietechnologien wie durch den Import der dafür notwendigen Rohstoffe, durch Investitionen in Digitalisierung (Digital Silk Road) und Kommunikations-Technologien, durch Diversifizierung von Investitionen in Verarbeitungsindustrien und den Aufbau von Sonderwirtschaftszonen.

Belt&Road bleibt damit ein wichtiges Vehikel für Chinas Werben um Ansehen und Verbündete im Globalen Süden, für die eigene industrielle Modernisierung und als Absicherung angesichts der wechselseitigen Entflechtungskonkurrenz und Sanktionierungsmaßnahmen. Wie relevant sie wirklich noch ist, könnte sich zeigen, wenn die Regierung tatsächlich im Herbst zum Jubiläums-Gruppenbild einlädt. Aber vielleicht scheut sie am Ende dann doch eine derartige Nagelprobe: „Stell Dir vor, es ist Belt and Road-Forum, ….“

Schreibe einen Kommentar