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Uwe Hoering, Mai/Juni 2019
Die Chinesen haben begriffen“, zollte der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin Mitte Januar der chinesischen Klimapolitik Respekt. Tatsächlich wurde in der Volksrepublik eine beeindruckende Energiewende weg von der Kohle in die Wege geleitet. Doch das darf nicht über gegenläufige Tendenzen der chinesischen Energie- und Wirtschaftspolitik hinwegtäuschen.
Mit der Ankündigung beim Klimagipfel in Paris 2015, bis spätestens 2030 den Scheitelpunkt der CO2-Emissionen und bereits 2020 einen Anteil nicht-fossiler Energieträger von 20 Prozent zu erreichen, wurde die Volksrepublik China zu einem Hoffnungsträger im Kampf gegen den Treibhauseffekt. Auch rhetorisch tut die Regierung in Peking einiges, um hohe Erwartungen zu nähren: Beim 19. Parteitag der Kommunistischen Partei im Oktober 2017 bekräftigte Staats- und Parteichef Xi Jinping das Ziel, „Beteiligter, Mitwirkender und Fackelträger in einem globalen Streben nach einer ökologischen Zivilisation“ zu sein. Vom braunen Saulus, auf den man im Westen mit dem Finger zeigen konnte, um von eigener Untätigkeit abzulenken, wurde China zum grünen Paulus.
Energiewende
Die Maßnahmen der durch den chinesischen Staat vorangetriebenen Energiewende machen in der Tat Eindruck. Mit staatlicher Unterstützung wurde die Wind- und Solarindustrie national breit ausgebaut und international konkurrenzfähig gemacht, im Verkehrsbereich die E-Mobilität vorangetrieben. Die Stromerzeugung aus Kohle, die die energetische Grundlage für Chinas Aufstieg zur führenden Wirtschaftsmacht war, wurde gedeckelt: Pläne für weitere Kohlekraftwerke wurden auf Eis gelegt, die Energieeffizienz bestehender Kraftwerke verbessert. 2018 sank denn auch der Anteil von Kohle an Chinas Primär-Energiemix nach offiziellen Angaben erstmals unter 60 Prozent. Es scheint gelungen, Wirtschaftswachstum und das Wachstum fossiler Energieträger zu entkoppeln.
Die Energiewende ist nicht nur eine Reaktion auf die steigenden Kosten durch Umweltbelastungen und ein zunehmendes Umweltbewusstsein in der Bevölkerung, dem sich auch die Regierung nicht entziehen konnte. Sie ist vor allem Teil des strukturellen Umbaus der Industrie unter dem Label „Made in China 2025“, um das wirtschaftliche Wachstum und die globale Konkurrenzfähigkeit beizubehalten. Weg von Kohle und Stahl, hin zu neuen Technologien lautet das Credo. Das aber geht einher mit einer wachsenden Importabhängigkeit, unter anderem von Erdöl und -gas, sowie von anderen natürlichen Ressourcen wie Lithium, Kupfer und Agrarrohstoffen, über die China nicht oder nicht ausreichend verfügt.
Neben den vielfältigen und teils drastischen Mitteln und Regulierungsmöglichkeiten eines starken autoritären Staates stehen der Regierung dabei die großen staatlich kontrollierten Konzerne zur Verfügung. Durch politisch geförderte Zusammenschlüsse im Infrastrukturbereich, der Energieversorgung, Telekommunikation und vielen weiteren zentralen Wirtschaftsbereichen („Kommandohöhen“) haben sie eine Monopolstellung erhalten und wurden unentbehrlich für die globale Modernisierungsstrategie. Die Sicherstellung der Versorgung mit Rohstoffen geht dabei Hand in Hand mit der Suche nach neuen Absatzmärkten.