Newsletter 18/Februar 2023

6. März 2023



Inhalt: Wird Europa zur Kriegspartei im Chip-‚Krieg’? +++ Philippinen: Kurskorrektur in Beziehungen zu Washington +++ Tauwetter zwischen Australien und China +++ Laos: Auf dem Weg zur Kolonie? +++ Nigeria: Lernt Belt&Road Public Private Partnership? +++ Myanmar: China an der Seite der Militärjunta +++  Chinesische Palmölgeschäfte in Indonesien +++ Asiatisch gelesene Stand up-Comedians +++ Zitat: ‚Ground Zero’

Wird Europa zur Kriegspartei im ‚Chip-Krieg’?

Wird Europa durch den sogenannten ‚Chip-Krieg’ zur ‚Kriegspartei’ im Konflikt zwischen China und den USA? Die Frage stellt sich angesichts der Forderung der US-Regierung, dass sich europäische und asiatische Verbündete den jüngst unilateral verhängten Exportkontrollen für High-Tech-Chips anschließen sollen. Denn die Restriktionen sind Teil der intensivierten US-Bestrebungen, den Konkurrenten China wirtschaftlich und militärisch zu schwächen. Doch der Vorstoß kann nur gelingen, wenn die anderen Industrieländer bei der Eskalationsspirale mitspielen. Mehr

Philippinen: Kurskorrektur in Beziehungen zu Washington

Anfang Februar räumte die philippinische Regierung unter dem neuen Präsidenten Ferdinand Marcos Jr. der US-Armee Zugang zu vier weiteren Militärstützpunkten ein, mindestens einer davon direkt gegenüber von Taiwan. Damit steigt die Zahl der Militärstützpunkte für die USA allein auf den Philippinen auf neun, die allerdings bislang nur logistisch genutzt werden dürfen. Beobachter sind sich einig, dass damit trotz ihrer Nähe zu Taiwan und China und ihrer strategischen Platzierung zur Überwachung der wichtigen Seewege keine wirklich neue Situation geschaffen wird, solange keine permanente US-Stationierung erfolgt, etwa von Raketen.

Die einstige US-Kolonie ist mit mindestens 1,4 Milliarden US-Dollar für Flugzeuge, gepanzerte Fahrzeuge und andere Ausrüstung der weitaus größte Empfänger von US-Militärförderung im Pazifik. Der jüngste Schritt einer engeren militärischen Zusammenarbeit erfolgt vor dem Hintergrund einer politischen Wiederannäherung der Regierung in Manila an Washington und an die anderen westlichen Alliierten im Pazifik wie Japan und Australien.

Der Amtsvorgänger von Marcos, Rodrigo Duterte, hatte stark auf China und Belt&Road gesetzt und sogar gedroht, Verteidigungsabkommen mit den USA außer Kraft zu setzen. Beobachter wie Makoi Popioco vom australischen Lowy Institute meint, viele Erwartungen an Beijing und Belt&Road seien aber enttäuscht worden. Dazu kommen hohe Schulden und der Konflikt um das Südchinesische Meer, das von philippinischer Seite gern auch als Philippinisches Meer bezeichnet wird, Streit um Fischgründe und die Erkundung von Rohstoffvorkommen.

Zwar reiste der neue Präsident Ferdinand Marcos jr. Anfang Januar 2023 zunächst nach Beijing und kehrte von der Reise angeblich mit neuen Handels- und Investitionsvereinbarungen im Umfang von knapp 23 Milliarden US-Dollar zurück. Doch gleichzeitig gaben sich hochrangige US-Regierungs- und Militärvertreter seit seiner Amtsübernahme in Manila die Türklinke in die Hand. Im Disput um die territorialen Ansprüche Chinas im Seegebiet zwischen Festlandschina und den Anrainerstaaten, die auf Antrag der philippinischen Regierung vom Internationalen Seegerichtshof zurückgewiesen wurden, versicherte US-Vizepräsidentin Kamala Harris der Regierung die US-Unterstützung.

Die militärische und politische Wiederannäherung an Washington ist geopolitisch ein Signal, dass die philippinische Regierung wie die meisten anderen Staaten der Region einen Balanceakt verfolgt, um ihre Interessen zu verteidigen. Die neuen Stützpunkte für die US-Armee sind aber durchaus ein weiteres kleines Puzzleteil einer zunehmenden militärischen Präsenz der USA in der Region, die von Beijing als Einkreisung empfunden wird.

Weltweit haben die USA schätzungsweise 800 Militärbasen in 80 Ländern. China dagegen verfügt gerade einmal über einen ausländischen Marinestützpunkt in Djibouti am Horn von Afrika und einige militärische Einrichtungen im umstrittenen Südchinesischen Meer. Über die Planung von zwei, drei weiteren Häfen für die Marine der Volksbefreiungsarmee PLA wird mehr oder minder begründet spekuliert.

„Der Meeresschaum fällt in sich zusammen“
Tauwetter zwischen Australien und China

Vor drei Jahren verhängte Beijing einseitig Wirtschaftssanktionen gegen Australien. Anlass dafür war die Forderung aus Canberra nach lückenloser Aufklärung der Herkunft des Corona-Virus, was in Beijing als Einmischung in die inneren Angelegenheiten gelesen wurde.

Vorausgegangen waren unter anderem australische Strafzölle auf chinesischen Stahl wegen unzulässiger Subventionen und der Ausschluss des Technologiekonzerns Huawei vom Ausbau des 5G-Netzes. Weitere Drohungen mit Anti-Dumping-Maßnahmen auf Aluminium und andere Produkte folgten.

Seither köchelt ein begrenzter Wirtschaftskrieg vor sich hin, den Medien mit dem Etikett „beef, barley und wine row“ versehen haben. Schmerzhafter als der chinesische Bannstrahl gegen australische Luxus-Konsumgüter wie Fleisch, Wein und Hummer sind die Importhürden für Kohle. Australien antwortete damit, chinesische Investitionen aus Gründen der ‚nationalen Sicherheit’ nicht zu genehmigen. Zudem begann es, wirtschaftliche Alternativen zu suchen wie andere Absatzmärkte und den Abschluss eines Handels- und Wirtschaftsabkommens mit Chinas Konkurrenten Indien.

Die chinesischen Strafmaßnahmen trieben Australien enger an die Seite Washingtons, beispielsweise mit der Stärkung des lange Zeit scheintoten Bündnisses QUAD, eine gegen China gerichtete Allianz mit den USA, Japan und Indien. Mitte September 2021 wurde zudem das trilaterale Abkommen AUKUS mit den USA und dem Vereinigten Königreich geschlossen, in dem  unter anderem die Lieferung von Atom-U-Booten vereinbart wurde.

Die wechselseitigen Strafmaßnahmen und der Einbruch bei chinesischen Investitionen haben beiden Seiten eher geschadet. Australien ist für China ein wichtiger Lieferant von Rohstoffen wie Kohle, Eisenerz, Lithium, Kobalt und Seltenen Erden. Deshalb begann Chinas Industrie ihrerseits, nach anderen Versorgungsquellen zu suchen. Umgekehrt kann Australien schwerlich auf China verzichten, das sein größter bilateraler Handelspartner bei Waren und Dienstleistungen ist. Australiens Bergbau ist auf chinesisches Kapital angewiesen. Und für Chinas Erfahrung und Kostenvorteile bei der Veredelung von Mineralien (siehe Graphit) gibt es kurzfristig kaum taugliche Alternativen.

Doch während die Scharfmacher in Washington immer neue Sanktionen gegen China verhängen (siehe Chip-Krieg) , setzt inzwischen vorsichtiges Tauwetter in den chinesisch-australischen Beziehungen ein, meint Kevin Rudd, früherer Premierminister von Australien und kürzlich als Botschafter in den USA ernannt. Die neue Labour-Regierung von Premierminister Anthony Albanese, im Amt seit Sommer 2022, versucht erste Schritte, um die Beziehungen mit Beijing auf die Zeit vor 2020 zurückzubringen.

Es gibt Berichte über Lockerungen von chinesischen Importbeschränkungen für Kohle und steigende australische Eisenerzexporte. Die Handelsminister beider Seiten sprachen Anfang Februar dieses Jahres erstmals seit 2019 wieder miteinander, um zu eruieren, wie Hürden abgebaut werden können. Falls erfolgreich, könnte das den Weg freimachen für einen Besuch des australischen Handelsministers Don Farrell in Beijing.

Auch Chinas früherer Außenminister Wang Yi versucht, Optimismus zu verbreiten: Bei dem ganzen Konflikt habe es sich doch nur um „Meeresschaum“ gehandelt, der jetzt verschwinden werde.

Möglicherweise gibt es auch im benachbarten Neuseeland einen vorsichtigen wirtschaftlichen Entspannungskurs gegenüber China. Für das Land ist China ebenfalls der weitaus wichtigste Handelspartner, vor allem für den Export von Agrarprodukten. Die Regierung hatte sich im vergangenen Jahr geweigert, der AUKUS-Allianz beizutreten, weil deren Aufrüstung mit Atom-U-Booten ihrer Politik widerspricht, den Pazifik von Nuklear-Waffen frei zu halten.

Laos: Auf dem Weg zur Kolonie?

Das Binnenland Laos ist eng verbunden mit China – politisch-ideologisch, ethnisch-kulturell durch eine große chinesische Diaspora und wirtschaftlich, wobei Belt&Road und der Energiesektor eine wichtige Rolle spielen. Der wachsende Einfluss des nördlichen Nachbarn auf nahezu allen Ebenen und die Schwäche des laotischen Staates könnten dazu führen, dass sich Laos Schritt für Schritt in eine neue Form von Kolonie, in einen exterritorialen Teil Chinas verwandelt. Mehr

Asiatisch gelesene Stand up-Comedians

„Es gibt Gerüchte, Elon Musk sei ein ‚halber Chinese’ – er versklavt seine Angestellten, er nimmt keine Rücksicht auf die Frauen in seinem Leben, und das Wichtigste ist ihm Geld – gibt es etwas, das chinesischer ist?“ Li Li, chinesisch-amerikanische Stand-up Comedian

Können asiatisch gelesene Comedians mit solchen Sprüchen helfen, Stereotypen aufbrechen, wie ein älterer Beitrag in der South China Morning Post meinte? Oder geraten sie in Zeiten wachsender geopolitischer Spannungen und Rassismus zwischen die Fronten, wie Cyril Ip in einem aktuellen Beitrag warnt. So könnte ein sarkastischer Selbstvergleich der Comedian Vicky Xu Xiuzhong mit einem Huawei-Smartphone, „Wir haben viel gemeinsam – wir sind beide billig, zerbrechlich und eine Gefahr für die nationale Sicherheit“, nicht nur Lacher produzieren, sondern antichinesischen Rassismus verstärken oder chinesisches Publikum verletzen. „Race Traitors“ sei bereits ein verbreitetes Schimpfwort in sozialen Medien wie Twitter.

Ups and Downs along the Silk Roads

Hinter der aktuellen geopolitischen Konfrontation treten die Entwicklungen entlang der Seidenstraßen, die ein zentraler Bestandteil der chinesischen Außenwirtschaft und internationalen Politik sind, in den Hintergrund. Der Blick darauf hilft gleichzeitig bei der Einschätzung, wo China mit seiner Positionierung als hegemonialer Konkurrent steht. Deshalb gibt es im Newsletter regelmäßig Hinweise auf besonders aufschlussreiche, kontroverse oder gewichtige Vorhaben. Einen guten Überblick über zahlreiche BRI-Projekte gibt die Datenbank ‚People’s Map of Global China’

Nigeria: Lernt Belt&Road Public Private Partnership?

Nigeria ist eines der politischen und wirtschaftlichen Schwergewichte in Afrika, verfügte aber bislang über keinen Tiefseehafen. Jetzt baut die China Harbour Engineering Company (CHEC), die bereits am Bau von mindestens einem Dutzend Häfen beteiligt war, östlich der Hauptstadt Lagos einen modernen Container-Terminal, für 1,5 Milliarden US-Dollar. Der Tiefseehafen Lekki ist eines der neuen Großprojekte, an denen sich die Verschiebungen in Chinas Finanzierung von Infrastruktur zeigt:  Seit 2016 sinken die Gelder der großen staatlichen Entwicklungsbanken für Belt&Road und andere chinesische Infrastrukturprojekte drastisch, für Afrika südlich der Sahara haben sie sich 2021 gegenüber dem Vorjahr auf 7.5 Milliarden US-Dollar halbiert.

Das Projekt Lekki-Hafen ist ein komplexes Konstrukt von mehreren beteiligten Unternehmen: Der singapurische Konsumgüter-Konzern Tolaram bildet dafür ein Gemeinschaftsunternehmen mit CHEC. Dieses Joint Venture (JV) ist zu 75 Prozent beteiligt am Konsortium, das den Hafen errichtet, zusammen mit dem nigerianischen Staat und der Hafenbehörde. Der zukünftige Betrieb soll durch ein weiteres Gemeinschaftsunternehmen von CHEC und dem erfahrenen internationalen französischen Hafenbetreiber CMA Terminal als Mehrheits-Anteilseigner durchgeführt werden. Die Tochter der drittgrößten Containerschiff-Reederei der Welt, CMA-CGM, kann gleichzeitig für einen ausreichenden Frachtumschlag sorgen.

Die Kooperation von privatwirtschaftlichen beziehungsweise halbstaatlichen Investoren, Staat und Behörden ist eine Reaktion auf die hohe Verschuldung vieler Länder, denen es schwer fällt, weitere staatliche Kredite oder Finanzierung internationaler Finanzinstitutionen einzuwerben. Für den chinesischen Baukonzern CHEC bedeutet es eine Einbindung in eine erweiterte Wertschöpfungskette. Der chinesische Staat wiederum ist glücklich, weil er die eigene Kreditvergabe verringern kann und die Risiken teilweise auf die privaten Investoren abwälzt. Gleichzeitig behält er über die Beteiligung des Staatsunternehmens Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten.

Hong Zhang, From Contractors to Investors? Evolving Engagement of Chinese State Capital in Global Infrastructure Development and the Case of Lekki Port in Nigeria. SAIS-CARI Policy Brief No. 63, 2023

Siehe auch den Post ‚Upgrading für Belt&Road auf BRI 3.0?‘

Myanmar: China an der Seite der Militärjunta

Bei seiner Ankündigung 2013 schien der Bangladesh China India Myanmar Economic Corridor (BCIM) ein hoffnungsvoller ‚Gürtel’ der jungen Belt&Road Initiative, der Kontrahenten wie China und Indien verbunden und Aussichten auf einen Entwicklungsschub in abgehängten und instabilen Regionen wie Indiens Nordosten und Myanmars Norden eröffnet hätte. Doch die Träume platzten rasch, vor allem wegen der Blockade durch Indien. 2017 wurde die Idee dann abgespeckt zu einem bilateralen Projekt, dem China Myanmar Economic Corridor, CMEC.

Der Putsch des Militärs gegen die demokratisch gewählte Regierung von Aung San Suu Kyi vor zwei Jahren, am 1. Februar 2021, stellte auch die chinesische Regierung vor eine neue Situation. Seit der demokratischen Wende hatte sie sich wacker durch eine Kooperation mit der Regierung der Nationalen Liga für Demokratie (NLD) bemüht, ihr schlechtes Image durch die Unterstützung für die vorangegangene Militärjunta abzustreifen und chinesische Interessen in Myanmar auch weiterhin zu sichern. Wie der Wirtschaftskorridor BCIM verbindet auch CMEC Chinas südwestliche Provinz Yunnan mit dem Golf von Bengalen und damit mit den Schifffahrtswegen in die Golfstaaten, nach Ostafrika und Europa. Pipelines für Erdgas und Erdöl sind Teil der strategischen Diversifizierung bei Energieträgern, umgekehrt machen Transportwege Exporte aus der Provinz Yunnan und damit Investitionen zur regionalen Entwicklung von Chinas Südwesten wirtschaftlicher. Nicht zuletzt hilft der Wirtschaftskorridor zudem, die Ausbeutung von Myanmars reichen natürlichen Ressourcen auszuweiten.

Der Putsch vor zwei Jahren und der seither eskalierende Bürgerkrieg mit bewaffneten ethnischen Armeen und den People’s Defense Forces der gestürzten Regierung brachte die Regierung in Beijing in ein ähnliches Dilemma wie jetzt die Invasion Russlands in der Ukraine. Er sei „absolutely not what China wants to see“, verkündete der chinesische Botschafter kurz danach. Gleichzeitig blockierte Beijing aber eine Resolution im UN-Sicherheitsrat, die ihn verurteilte. Nach einigem Zögern und Abwarten versucht es seither, seine wirtschaftlichen Interessen durch Kooperation mit dem Militärregime zu wahren, meint Timothy Millar von der zivilgesellschaftlichen Organisation Engaged Development. So laufen einige der ursprünglichen Projekte, die noch mit der NLD-Regierung verhandelt worden waren, weiter, wenn auch langsamer und vorrangig in Regionen, die vom Bürgerkrieg weniger betroffen sind. Dazu gehören Wirtschaftszonen im Grenzgebiet mit China, der Ausbau des Tiefseehafens Kyaukphyu einschließlich Sonderwirtschaftszone und Kraftwerk, das im Oktober vergangenen Jahres  ans Netz ging, und ein LNG Terminal. Angesichts des Teilrückzugs westlicher Unternehmen und internationaler Isolierung durch viele Regierungen kann Beijing der Junta, die militärisch, politisch und wirtschaftlich unter Druck steht, die Bedingungen weitgehend diktieren.

Die Kooperation, bei der sich Beijing immer noch Hintertürchen durch Kontakte zu bewaffneten ethnischen Organisationen, die weite Gebiete und wertvolle Ressourcen kontrollieren, und dem demokratischen Widerstand offen hält, ist eine riskante Wette auf die Zukunft: Eine ihrer größten Schwachstellen ist die Gefährdung der Transportverbindungen durch den bewaffneten Widerstand. Eine weitere Eskalation des Bürgerkrieges könnte zu Unterbrechungen führen. Ob Beijing dann selbst die Sicherung übernehmen würde, kann nicht ausgeschlossen werden. Und falls der Widerstand siegen und demokratische Verhältnisse zurückgebracht würden, müsste Beijing von Vorne anfangen, sich vom Image eines Kollaborateurs mit einem illegitimen Militärregime zu säubern.

Quelle: Timothy Millar, The China-Myanmar Economic Corridor, 2 Years After the Coup. In: The Diplomat, February 1, 2023

Chinesische Palmölgeschäfte in Indonesien

Der private chinesische Palmöl-Konzern Julong steht seit Jahren in der Kritik, seine kleinbäuerlichen Zulieferer über den Tisch zu ziehen und gegen international vereinbarte Umweltstandards zu verstoßen. Anlässlich neuerlicher verbreiteter Proteste führte ein australisches Team Recherchen über das Unternehmen durch, das sich gerne als besonders nachhaltig präsentiert.

Bereits 2006 folgte Julong der neuen Devise der chinesischen Regierung, dass Unternehmen sich im Ausland engagieren sollten („Going out“), mit einer ersten Investition in eine Ölpalmen-Plantage in Indonesien. Inzwischen ist es das größte chinesische Palmöl-Unternehmen und trägt mehr als ein Fünftel zum Handel mit Palmöl bei. Der Julong-Gruppe gehören elf Plantagen in Indonesien mit annähernd 200.000 Hektar. Und das Unternehmen hat in die Verarbeitung und die Logistik expandiert, besitzt mehrere Ölmühlen und Lagerhäuser und plant weitere Investitionen.

Indonesien ist der größte Lieferant von Palmöl. 2017 produzierte es fast 50 Prozent der globalen Versorgung. Zweidrittel der Produktion werden exportiert. Die ständige Ausweitung des Anbaus von Ölpalmen trägt erheblich zu massiver Abholzung und dem Verlust von Artenvielfalt, zu Landkonflikten mit einheimischer Bevölkerung und zur massiven Ausbeutung und Verletzung der Rechte von Arbeiter*innen und Kleinbäuer*innen bei.

China spielt inzwischen eine Schlüsselrolle in der Industrie, die im Westen bislang weitgehend übersehen wird: Es ist der zweitgrößte Importeur von Palmöl nach Indien und vor Europa und ohne eigenen Anbau völlig abhängig von Importen. Investitionen in die Industrie in Ländern wie Indonesien bieten die Möglichkeit, die Versorgung zu sichern und die Preisentwicklung ein Stück weit zu beeinflussen. Indonesien begrüßt solche Investitionen besonders, seit die Nachfrage aus Europa durch das 2021 verkündete Verbot von Palmöl in Biotreibstoffen in der EU zu greifen beginnt.

Die immer wieder aufflammenden Proteste von kleinbäuerlichen Zulieferern, nationalen und internationalen NGOs am Julong-Konzern stehen in scharfem Kontrast zu seiner Selbstdarstellung und Präsentation in China als Musterbeispiel für den Erfolg der „Going Out“-Politik, der Investitionen  chinesischer Konzern im Ausland und deren angeblichem Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung.

So wurde Julong in chinesischen Medien wie der Nachrichten-Agentur Xinhua und dem auch global ausgestrahlten Fernsehsender CCTV für seine nachhaltigen Praktiken gelobt. Im offiziellen Sustainable Development Report on Chinese Overseas Enterprises von 2017, der gemeinsam vom Handelsministerium, dem Staatsrat und Chinas Vertretung beim UN-Entwicklungsprogramm UNDP veröffentlich wurde, wird es als vorbildlich gerühmt. In einer chinesischen Studie, die 2020 veröffentlicht wurde, führte Julong als bestes Unternehmen die Liste von 99 Industrieparks im Rahmen von Belt&Road an.

Einen Schatten auf ein derartig strahlendes Bild wirft allerdings der Ausschluss von Julong vom Round Table on Sustainable Palm Oil, der internationalen Organisation, die die Verbreitung von nachhaltigem Palmöl fördern soll, weil das Unternehmen drei Jahre lang keine Fortschrittsberichte bei der Umsetzung der Ziele vorlegte.

Der Bericht des australischen Teams räumt allerdings auch ein, dass die indonesische Regierung sich wenig um die Zustände in der Palmölindustrie kümmert und Investoren weitgehend freie Hand haben, wie sie mit Arbeitsrechten, Gewerkschaften und Umweltschutzauflagen umgehen. Dagegen verschärft die Regierung in Beijing in den vergangenen Jahren den Druck auf Unternehmen im Ausland mit Richtlinien und Standards, um das schlechte Image chinesischer Investoren zu verbessern. Angeblich würde Julong sich jetzt bemühen, durch die Einrichtung einer Umweltabteilung und ein Öffentlichkeits-Referat, das die Kommunikation mit den unterschiedlichen Interessengruppen führen soll, seiner sozialen und ökologischen ‚Unternehmensverantwortung’ besser nachzukommen.

Quelle: Xiao Tan, Ardhitya Eduard Yeremia, The socio-environmental challenges for China’s palm oil business in Indonesia. Melbourne Asia Review, September 5, 2022

Siehe dazu: Chinese Capital’s Move into Upstream Oil Palm Plantations: Navigating Competing Sustainability Norms and Regulations in Indonesia. By Trissia Wijaya,Shofwan Al Banna Choiruzzad. In: Global China Pulse, Volume 1, Issue 2, 2022, 76-83

Zitat:
‚Ground Zero‘

„Technology is ground zero in the conflict between the United States and China. For the US, it is about the leading edge of geostrategic power and the means for sustained prosperity. For China, it holds the key to the indigenous innovation required of a rising power.“

Stephen Roach, former chairman of Morgan Stanley Asia, January 25, 2023

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