Laos: Auf dem Weg zur Kolonie?

China, Geopolitik und der Globale Süden

Uwe Hoering, 6. März 2023

Das Binnenland Laos ist eng verbunden mit China – politisch-ideologisch, ethnisch-kulturell durch eine große chinesische Diaspora  und wirtschaftlich, wobei Belt&Road und der Energiesektor eine wichtige Rolle spielen. Der wachsende Einfluss des nördlichen Nachbarn auf nahezu allen Ebenen und die Schwäche des laotischen Staates könnten dazu führen, dass sich Laos Schritt für Schritt in eine neue Form von Kolonie, in einen exterritorialen Teil Chinas verwandelt.

Schneller ans Meer

Mit großem Bahnhof wurde im Dezember 2021 nach fünf Jahren Bauzeit die China–Laos Railway eröffnet. Die 422 Kilometer lange Hochgeschwindigkeits-Strecke von der Grenze mit Chinas südwestlicher Provinz Yunnan und der Hauptstadt Vientiane, deren Bau umgerechnet schätzungsweise sechs Milliarden US-Dollar gekostet hat, schließt eine wichtige Lücke in einem der Leuchtturm-Projekt von Belt&Road, dem China–Indochina Peninsula Economic Corridor. Das geplante Streckennetz, das nach Fertigstellung das ganze Festland Südostasiens umfassen soll, würde Yunnans Hauptstadt Kunming über weitere Hauptstädte der Region wie Hanoi, Phnom Penh, Bangkok und Kuala Lumpur mit der 4.000 Kilometer entfernten Finanz- und Handelsmetropole an der Südspitze der Malaiischen Halbinsel verbinden. Bereits 2013 war mit der „Freundschaftsbrücke“ im Länderdreieck von Thailand, Laos und Myanmar eine durchgehende Straßenverbindung von Yunnan nach Bangkok eröffnet worden. Um die logistische Infrastruktur und die Wirtschaft entlang der Bahnstrecke zu entwickeln, erstellte die Regierung der Provinz Yunnan einen Aktionsplan.

Begleitet wurde der Bau von zahlreichen Kontroversen und Schwierigkeiten wie Sicherheitsproblemen, ungelösten Entschädigungen für Umsiedlungen und den Befürchtungen, dass sich die Erschließung der bislang relativ abgeschiedenen nördlichen Regionen des Landes für die Ausbeutung durch ausländische Unternehmen negativ auf die lokalen Lebensbedingungen auswirken könnte. Ein besonderer Konfliktherd war der Einsatz zahlreicher chinesischer Arbeiter beim Bau der Strecke.

Durch den Bau der neuen Bahnstrecke entwickelte sich die Grenzregion zwischen Yunnan und dem Norden von Laos rund um den Grenzort Boten zu einer Boom-Town mit Casinos, Logistikzentren, einigen Fabriken der Leichtindustrie und Touristen. Mit schätzungsweise zehn Milliarden US-Dollar entstand hier die Sonderwirtschaftszone ‚Boten Beautiful Land‘, die weitgehend durch die chinesischen Investoren selbst verwaltet wird.

Auch in anderer Hinsicht ist das langestreckte Binnenland entlang des Mekong eng verbunden mit China – politisch-ideologisch, ethnisch-kulturell durch eine große chinesische Diaspora (Link Rosetti) und wirtschaftlich, wobei Belt&Road eine wichtige Rolle spielt.

Laos als ‚Batterie Südostasiens’

Außer der prestigeträchtigen Bahnverbindung gibt es weitere Großprojekte. Dabei richtet sich das Interesse vor allem auf die reichen natürlichen Ressourcen wie Wasser, Holz, Land, ….

Neben Thailand, Vietnam und Malaysia wurde China zu einem Hauptakteur im Energiesektor von Laos. Die vielleicht bekanntesten Projekte unter den zahlreichen Wasserkraftwerken entlang des Mekong und seiner Nebenflüsse sind Nam Ou und Sanakham. Im Sommer 2022 lieferte das Wasserkraftwerk Nam Tha 1 erstmals Strom in die Provinz Yunnan. Erneuerbare Energie aus Laos hilft China, das selbst im Oberlauf des Mekong zahlreiche Staudämme errichtet hat, seine Versorgung zu sichern und seine Klimabilanz aufzuhübschen. Gegenwärtig treibt die Regierung in Vientiane mindestens sieben weitere Wasserkraft-Projekte am Mekong voran.

„Erneuerbare Energie aus Laos hilft China, seine Versorgung zu sichern und seine Klimabilanz aufzuhübschen.“

Die zahlreichen Staudämme sind längst zu einem hochgradig politischen Konfliktthema der Anrainerstaaten unter einander, vor allem aber mit China geworden. Sie haben zerstörerische Auswirkungen auf den Wasserhaushalt, die biologische Vielfalt und insbesondere die Fischbestände und damit auf die Lebensbedingungen von Millionen Familien. Kambodscha und Vietnam am Unterlauf des Mekong klagen verstärkt über Wassermangel in der Trockenzeit. Mit der Bildung einer Flussgebiets-Kooperation aller Länder entlang des Mekong (Lancang-Mekong Cooperation) und das Versprechen auf Milliarden-Beträge für Entwicklungsmaßnahmen versucht Beijing daher, die übrigen Anrainerländer zu beschwichtigen.

Ein wichtiger Schritt für die Bestrebungen, Laos zur ‚Batterie Südostasiens’ zu machen, ist der Ausbau des Stromnetzes: Auch hier macht Beijing im eigenen Interesse Druck, da der Ausbau hinter den Kapazitäten hinterherhinkt. Das bedeutet für die Betreiber entgangene Gewinne.  

Strategische Landnahme

Der wachsende Einfluss Chinas auf nahezu allen Ebenen und die Schwäche des laotischen Staates könnten dazu führen, dass sich Laos Schritt für Schritt in eine neue Form von Kolonie, in einen exterritorialen Teil Chinas verwandelt. Vor allem der Norden sein „ruled by Yunnan’s strategic ambitions“,heißt es in einer Studie des French Centre for Research on Contemporary China (CEFC) über die chinesische Diaspora in Laos.

China ist inzwischen nicht nur führend im Energiebereich. Im vergangenen Jahrzehnt hat es Thailand und Vietnam als Auslandsinvestoren überholt. Nach Angaben des chinesischen Wirtschaftsministerium betrug 2021 der Zufluss an chinesischen Direktinvestitionen 1,15 Milliarden US-Dollar, die Investitionen im Land beliefen sich auf über acht Milliarden, ein Anstieg zum das Zehnfache gegenüber 2010. Neben dem Energiesektor flossen sie vor allem in den Bergbau, die Landwirtschaft und Immobilien. China ist zudem nach Thailand zweigrößter bilateraler Handelspartner. Exporte nach China sind überwiegend Rohstoffe wie Holz, Kautschuk, Kupfer und Agrarprodukte, vor allem Bananen, aus China kommen Industriegüter wie Maschinen und Elektronik.

Zudem wurde Beijing zum größten Gläubiger, die Kredite finanzierten vor allem Transport- und andere Infrastrukturprojekte und Wasserkraft.  2019 betrugen die Auslandschulden des Landes annähernd 10 Milliarden US-Dollar, der größte Teil davon bei China. Das kleine, wirtschaftlich schwache Land konnte die Rückzahlungen nicht mehr schultern und wird damit zu einem der Negativ-Beispiele für Chinas Kreditvergabe, bei dem der Vorwurf der Schuldenfalle möglicherweise zutreffen könnte. Die größten Zahlungsprobleme bestehen aber nicht gegenüber staatlichen Geldgebern wie China, sondern gegenüber Geschäftsbanken und Anlegern aus Thailand.

„All in all, in the space of a few years, the urban areas of Namtha and Oudomxay have begun to look like Chinese cities, where Chinese characters are posted on shop fronts and the Chinese language has even supplanted Lao.“

Florence Rossetti, CEFC

Bis diese Schulden mit dem Stromexport dereinst vielleicht einmal beglichen werden können, ist es noch ein langer Weg. Vorerst wird Laos weiter als Agrarland festgeschrieben. Aus China kommen inzwischen auch die meisten Investitionen in große Agrarbetriebe, gefolgt von Vietnam. Dadurch wird der Übergang zur kommerziellen intensiven Landwirtschaft vorangetrieben. Große Flächen, die bisher Gemeinschaftsland sind, Felder, die weniger Ertrag liefern wie Grundnahrungsmittel, Wälder und Brachland werden zu monokulturellen Plantagen. Das bringt zudem einen hohen Einsatz von Agrargiften und Chemiedünger mit sich, wodurch die Umwelt und die Gesundheit der lokalen Beschäftigten und Bevölkerungen gefährdet werden.

Eine weitere Auswirkung der vielschichtigen Einbindung in die chinesische Ökonomie ist eine wachsende unkontrollierte Einwanderung. Besonders die Wirtschaft im Norden des Landes werde durch einen massiven Zustrom von Kapital, Technologie und Beschäftigten „sehr ‚chinesisch’“, schreibt Florence Rossetti, die Autorin der Studie des CEFC. „All in all, in the space of a few years, the urban areas of Namtha and Oudomxay have begun to look like Chinese cities, where Chinese characters are posted on shop fronts and the Chinese language has even supplanted Lao.“

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