AUKUS: Rabiater Aufrüstungsschub im Pazifik

China, Geopolitik und der Globale Süden

Uwe Hoering, 24. März 2023

Nachdem die Regierungen Australiens, des Vereinigten Königsreichs und der USA im September 2021 ihr Bündnis AUKUS aus der Taufe gehoben haben, schoben sie Mitte März erste Konkretisierungen nach. Demnach soll Australien bis 2040 acht Atom-getriebene U-Boote bekommen und der anglophone Dreier zur „wichtigsten multilateralen Verteidigungspartnerschaft seit Generationen“ werden. Die Stoßrichtung ist klar: Abschreckung und Gegengewicht gegen die Aufrüstung Chinas.

Nachdem die Regierungen Australiens, des Vereinigten Königsreichs und der USA im September 2021 überraschend ihr Bündnis AUKUS aus der Taufe gehoben haben, schoben sie Mitte März jetzt erste Konkretisierungen nach. Demnach soll Australien acht Atom-getriebene U-Boote bekommen, teils von den beiden Partnern geliefert, teils aus eigener Produktion. Besoffen von dem Gefühl, dass Britannien dadurch wieder ‚great’ wird, hypte Premier Rishi Sunak den Dreier beim Treffen der Regierungschefs im kalifornischen San Diego zur „wichtigsten multilateralen Verteidigungspartnerschaft seit Generationen“. Die Stoßrichtung ist klar: Abschreckung und Gegengewicht gegen die Aufrüstung Chinas. Das Preisschild hat es in sich: Die Kosten dafür werden auf umgerechnet 228 Milliarden Euro geschätzt, angeblich der größte einzelne Rüstungsdeal in der Geschichte.

AUKUS ist die „wichtigste multilaterale Verteidigungspartnerschaft seit Generationen“

Rishi Sunak, UK-Premierminister, März 2023

Doch die Kosten sind nicht der einzige Grund, warum in der Pazifikregion Ablehnung und Kritik daran weit verbreitet sind.  Der frühere australische Premierminister Paul Keating bezeichnet das Abkommen als „rubbish“: Falls es zum Krieg mit China kommen sollte, seien die U-Boote völlig ungeeignet, zumal die ersten frühestens Ende 2030 einsatzbereit sein werden. Die Berliner Morgenpost zitiert Mick Ryan, Ex-Generalmajor der australischen Armee, der „enge Fokus auf hervorragende maritime Fähigkeiten“ könnte dazu führen, dass Australiens Luftwaffe und Armee weniger Geld bekommen und weniger schlagkräftig sein werden. Der Deal würde nur den USA helfen, ihre strategische Vorherrschaft in Asien zu verteidigen, so Keating, er würde gar eine Rückkehr zu einer kolonialen, von angelsächsischen Mächten getragenen Dominanz darstellen, so Matt Fitzpatrick von der Flinders University in Australien.

Atomfreier Pazifik

Dazu kommt eine breite Debatte, inwieweit dadurch zumindest der Geist des Abkommens über die Nicht-Verbreitung von Atomwaffen und –technologie verletzt wird. Zwar verfügen die neuen U-Boote nur über konventionelle Bewaffnung, aber sie eröffnen den Zugang zu hochangereichertem Uran und Nuklear-Technologie. Genutzt wird eine Schlupfloch im Abkommen, die die Weitergabe von spaltbarem Material für militärische Zwecke wie den Antrieb von Kriegsgerät erlaubt. Alan Kuperman, Koordinator des Nuclear Proliferation Prevention Project an der Universität von Texas, sieht darin „einen sehr gefährlichen Präzedenzfall“. Andere Atommächte könnten dem Beispiel folgen. Trevor Findlay von der Universität Melbourne tippt beispielsweise auf eine weitere „Verteidigungspartnerschaft“ zwischen China und Brasilien.

Auch zahlreiche südostasiatische und pazifische Regierungen lehnen deshalb diese weitere Aufrüstungsspirale ab. Schwergewichte wie Indonesien und Malaysia haben mehrfach ihre Besorgnis darüber geäußert, dass dadurch die Verbreitung von Atomwaffen ermöglich werden könnte. Neuseeland ist AUKUS nicht beigetreten, weil auch die dortige Regierung darin einen Verstoß gegen das Prinzip eines Atomwaffenfreien Pazifik sieht (siehe Beitrag Australien). Vertreter des Zusammenschlusses südostasiatischer Staaten, Asean, haben wiederholt ihre Sorge vor einem Wettrüsten in der Region artikuliert, dem sie sich selbst nicht entziehen können.

Sie befürchten eine weitere Destabilisierung der bereits angespannten Situation zwischen den USA und China. Australiens früherer Premierminister Kevin Rudd warnte wiederholt vor einem „zufälligen Krieg“, doch auch ein intendierter Krieg kann längst nicht mehr ausgeschlossen werden. Die asiatischen Länder wären die Ersten, die die Folgen erleiden würden, sind die USA doch weit weg und relativ gut gegen eventuelle chinesische Bedrohungen geschützt.

‚Sicherheitsdialog‘ mit zivilem Mäntelchen

Doch auf solche Bedenken in der Region wird wenig Rücksicht genommen. AUKUS ist nicht der einzige Vorstoß, die Reihen gegen China zu schließen: Für Quad, ein bereits 2007 gegründeter „Sicherheitsdialog“ von USA, Indien, Japan und Australien, der für ‚sichere Seewege und Lufträume in internationalen Gewässern’ sorgen soll, gibt es Wiederbelebungsversuche. 2017 wurde das bis dahin abgesehen von gelegentlichen Militärübungen vor sich hin dümpelnde Bündnis zu einer ‚gemeinsame Plattform’ von Ländern erklärt, die die Demokratie (was man bei Indien zunehmend fraglich ist), die Rechtsstaatlichkeit und die Sicherheit der Seefahrt hochhalten und sich für eine friedliche Beilegung von Streitigkeiten einsetzen (was bei den USA erfahrungsgemäß bezweifelt werden kann). Zwei Mitgliedsländer des Bündnisses haben zudem territoriale Konflikte mit China: Indien im Himalaya, Japan im Südchinesischen Meer um die Senkaku beziehungsweise Diaoyu Inseln, auf die übrigens auch Taiwan Anspruch erhebt.

Der Kitt, der diese Bündnisse zusammenhalten soll, sind zum einen die Ausmalung der Aggressivität Chinas in endlosen Varianten und der damit einhergehenden Sicherheitsgefährdung, zum anderen die angebliche Wertegemeinschaft.

Inzwischen gibt es Bemühungen, Quad einen zivileren Anstrich zu geben. Um weitere Länder von China wegzulocken, werden jetzt auch ähnlich wie bei Belt&Road Unterstützung für Infrastrukturentwicklung und Diversifizierung von Versorgungsketten, für Gesundheitswesen und Maßnahmen gegen den Klimawandel, Cybersicherheit und Katastrophenhilfe angeboten. Mit dem Indo Pacific Economic Framework, IPEF, soll eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit gefördert werden, als Alternative zur Regionalen Wirtschaftspartnerschaft RCEP, die als hegemoniales Vehikel von China betrachtet wird. Die Länder in der Region freut dieses Werben, weil sie die beiden Kontrahenten gegeneinander ausspielen können – wobei China nach wie vor der verlässlichere und potentere Partner ist, trotz Einschränkungen bei Belt&Road.

Milliarden für die Aufrüstungsspirale

Doch was als reine Reaktion angesichts hegemonialer Ansprüche Chinas legitimiert wird, ist Teil einer seit einem Jahrzehnt eskalierenden Rüstungsspirale, um China einzudämmen und in einen Rüstungswettlauf zu zwingen. Das freut vor allem die US-Rüstungsindustrie, die bereits durch den AUKUS-Deal der französischen Konkurrenz den ursprünglich geplanten 90-Milliarden-Dollar-Auftrag für U-Boote mit Dieselantrieb abluchsen konnte und ihre überragende Führungsposition als Waffenexporteur weiter ausbaut.

Die nächste Stufe sind weitere Aufstockungen in den Militärausgaben: Im US-Haushalt sind für 2024 866 Milliarden US-Dollar vorgesehen, der höchste Betrag in Friedenszeiten und eine Steigerung um 3,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Um die weitere Aufrüstung zu legitimieren, hat das Centre for Strategic and International Studies, ein Think tank in Washington, die notwendigen Argumente geliefert: Die US-amerikanische Rüstungsindustrie sei gegenwärtig nicht in der Lage, genügend Munition und Gerät für einen längeren Krieg mit Beijing um Taiwan zu liefern – ein Argument, das aktuell angesichts der Materialschlacht in der Ukraine auch für die Unterstützung von Europas Waffenindustrie bemüht wird. Auch US-Alliierte wie Japan und Südkorea drehen an der Spirale.

Argumente liefert natürlich auch Chinas eigene Aufrüstung: Beijing verkündete Anfang März ein Wachstum der offiziellen Militärausgaben um über sieben Prozent, der größte Sprung in den vergangenen vier Jahren. Das ist allerdings lediglich ein Anstieg auf 225 Milliarden US-Dollar, auch wenn es vermutlich noch die eine oder andere schwarze Kasse geben wird. Auch die verbreitete Warnung, die Kriegsmarine der Volksbefreiungsarmee PLA sei inzwischen zahlenmäßig die größte der Welt, unterschlägt ein ähnliches Missverhältnis bei militärischer Schlagkraft und Anzahl der Militärstützpunkte der USA in der Pazifik-Region. Gerade sind auf den Philippinen wieder vier weitere dazu gekommen. Was der AUKUS-Deal angesichts dieser Kräfteverhältnisse bringt, ist das Geheimnis seiner Väter.

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