Newsletter 13/Mai-Juni 2022

China, Geopolitik und der Globale Süden

INHALT: Blog posts: Ukraine-Russland: Man schlägt den Sack, … // News: Verbale Eskalation // Countermovements: lithium mining in Zimbabwe // Lesehinweise: Europa zwischen USA und China / China’s Overseas Development Programm

Blog posts

Ukraine-Russland: Man schlägt den Sack, …

Der Krieg des russischen Regimes gegen die Ukraine ist ein – willkommener? – Anlass, um auch in der globalen Konkurrenz gegen China zu punkten. Man schlägt den Sack, aber meint den Esel. Auf den ersten Blick mag das nicht so aussehen. Aber China ist der Esel, respektive der Elefant im Raum, und eine internationalistische Diskussion muss sich dieser Herausforderung stellen, so schwierig es ist. Denn es verlangt, die globale Weltordnung, die dadurch neu konfiguriert wird, auch neu zu analysieren, um die eigene Positionierung zu finden. Mehr

News

Verbale Eskalation

Anfang Mai hat das US-Außenministerium Formulierungen von seiner Website über die Beziehungen zu Taipeh gestrichen, die in Beijing hefte Reaktionen auslösten: Entfernt wurden die Aussagen, dass die USA eine Unabhängigkeit Taiwans nicht unterstützen würden und die Anerkennung von Beijings Position, dass Taiwan ein Teil Chinas sei. Drei Wochen später verkündete US-Präsident Joe Biden zudem bei einem Besuch in Japan die Bereitschaft, Taiwan bei einem Angriff auch militärisch beizustehen. Zwar versicherten Regierungssprecher in Washington, beide Schritte würden keine grundsätzliche Änderung der politischen Grundhaltung signalisieren. So enthält der Taiwan Relations Act (TRA) von 1979 nur die Zusage, Taiwans Fähigkeit zur Selbstverteidigung zu stärken, aber keine ausdrückliche Verpflichtung der USA für ein militärisches Eingreifen. Doch nach 40 Jahren bewusster „strategischer Unbestimmtheit“ stellen die Formulierungen eine deutliche Warnung dar.

Quelle: David Sacks, What Biden’s Big Shift on Taiwan Means. Council on Foreign Relations, May 24, 2022

Countermovements

Zimbabwe: Chinese cobalt producer to open new lithium mine near Harare

On May 27, Zhejiang Huayou Cobalt, one of the world’s largest cobalt producers, announced plans to invest $300 million to build a lithium mine and processing plant in Zimbabwe. The project is located near the country’s capital, Harare, and is expected to be completed in 2023. Once finished, the mine will process 4.5 million tons of ore and produce 400,000 tons of lithium concentrate annually.

Chinese mining has been intensely controversial in Zimbabwe. Complaints of low pay, poor working conditions, and pollution have resulted in protests that have occasionally led to project cancellations. In November 2021, Heijin mining company had its mining license stripped in a township close to Harare after locals filed a complaint that the company planned to remove local residents. China’s embassy in Zimbabwe has publicly rejected charges that Chinese businesses are conducting illicit activity, writing that “their contribution has been helping Zimbabwe to stay connected to the global economy despite the illegal unilateral sanctions imposed by the Western nations.” Chinese media outlets, too, have paid close attention to mining activity in Zimbabwe, fact checking claims that Chinese mining companies have acted illegally.

Quelle: Paw Tracker newsletter (Week of June 23)

Readings

Europa zwischen USA und China

Die Zeitschrift Das Argument veröffentlicht in ihrer im Mai 2022 erschienenen Ausgabe zu den globalen Machtverschiebungen, die im Ukraine-Krieg zum Ausdruck kommen und zugleich weiter verschärft werden, mehrere Beiträge über die Rolle, die Chinas wachsende wirtschaftliche und politische Macht in diesem neuen Szenario spielt. Das beginnt mit Chinas ‚Wiederaufstieg’ zu einer globalen Macht, mit seiner Rolle in der ins schwimmen geratenen internationalen Finanzarchitektur und in autoritär-populistischen Ländern in Osteuropa. In weiteren Beiträgen wird untersucht, wie die Europäische Union im Zeitalter einer ‚neuen Geopolitik’ ihre Position zwischen China und den USA zu definieren sucht – als systemischer Wettbewerber, etwa im Bereich einer Hightech-Rivalität, oder als Teil eines Paktes gegen China. Einige Beiträge wie das Editorial von Wolfgang Fritz Haug, ein langer Text zu geopolitischen Hintergründen des Ukraine-Krieges mit einer Bestandsaufnahme der Machtressourcen und Kräfteverhältnisse der USA, Russlands, Chinas und der EU, und zum Verhältnis von Europäischer Union und NATO, das sich durch den Krieg grundlegend verschieben könnte, sowie die Abstracts (in Deutsch und Englisch) sind online verfügbar. Das Heft selbst kann unter anderem beim Argument-Verlag bestellt werden.

Europa zwischen USA und China. Re-Konfigurationen globaler Macht. Das Argument 338, Heft 3 / 2021, erschienen Mai 2022

China’s Overseas Development Programm

Die Studie Banking on Beijing über die Rolle Chinas als dominierender Geldgeber in der internationalen Entwicklungsfinanzierung fasst die Ergebnisse einer zehnjährigen interdisziplinären Forschungszusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern in den USA, Hongkong und Deutschland zusammen. Sie „räumt mit gängigen Mythen über Chinas Entwicklungsprogramm in Übersee auf, einschließlich der Vorstellung, dass Beijing die Hilfe dazu nutzt, schurkische Regime zu stützen und Schulden zu machen, um ahnungslose Regierungen zu umgarnen und zu unterwerfen“, schreibt Alex Wooley, Direktor für Partnerschaften und Kommunikation bei AidData, in seiner Rezension.  Heute ist Beijing der größte offizielle Gläubiger der Welt, mit einem jährlichen Kreditvolumen, das das der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds und aller Gläubiger des Pariser Clubs zusammen übersteigt. Die Europäische EU mit ihrem Programm ‘Global Gateway’ und die USA mit ‘Build Back Better World (B3W), das jüngst erst um 600 Milliarden US-Dollar aufgestockt wurde, müssen sich schon sehr anstrengen, um den Rückstand aufzuholen, vor allem auch, was die tatsächliche Umsetzung von Vorhaben betrifft. Denn „ Chinas Bereitschaft und Fähigkeit, große Infrastrukturprojekte durchzuführen, hat den Entwicklungsländern große wirtschaftliche Vorteile gebracht”. Das muss allerdings abgewogen werden gegen damit einhergehende Risiken wie Korruption, Konflikte, Umweltzerstörung und Schulden.

Aber China ist weder der globale Entwicklungs-„Held“, wie es sich gerne selbst sieht, noch der „Bösewicht“, wie er von seinen Rivalen und Kritikern dargestellt wird. Auch wenn Beijing, ähnlich wie westliche Finanziers, gerne die positiven Absichten und Wirkungen herausstreicht, verhält es sich eher wie ein Banker als wie ein Wohltäter, vor allem, weil der Anteil der Kreditfinanzierung in staatlichen Programmen weitaus höher ist als bei westlichen Gebern. Hierbei spielt allerdings die unklare Abgrenzung, was unter “Overseas development programms” gefasst wird, eine Rolle, da bei chinesischen Projekten der staatliche kreditfinanzierte Anteil bei Investitionsvorhaben erheblich größer ist als bei westlichen Gebern, wo er stärker über privatwirtschaftliche Banken und Kredite finanziert wird. Untersuchungen über die Verschuldung von Empfängerländern zeigen denn auch, dass der Beitrag der privaten westlichen Gläubiger zur bedrohlich steigenden Überschuldung vieler Länder erheblich höher ist als der der chinesischen Kredite. Dabei scheint es sich häufig um Anleihegläubiger wie ‘Geierfonds’ zu handeln, die beispielsweise afrikanische Schulden kaufen und mit rigorosen Mitteln und Klagen versuchen, sie einzutreiben, und deren Anteil in den vergangenen Jahren viel schneller gewachsen ist als alle Verbindlichkeiten, die Länder anderen Gläubigern schulden.

Axel Dreher, u.a., Banking on Beijing. The Aims and Impacts of China’s Overseas Development Program. AidData

Ammar A. Malik et al, Banking on the Belt and Road. September 2021. AidData

Nicolas Lippolis, Harry Verhoeven, Politics by Default: China and the Global Governance of African Debt. In: Survival. Global Politics and Strategy. Vol. 64, 2022 – Issue 3

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