Newsletter 7/November 2021

China, Geopolitik und der Globale Süden

INHALT: Posts: Beijing meldet Außenhandelsboom / Konflikte um das Südchinesische Meer // News: Courting the Bride Africa / Under Observation by the Regional Rival / Kämpfe entlang der Seidenstraßen / Webinar: China and the World // Besprechungen: Patrick Bond: Chinas Rolle in Afrikas Entwicklung / Zeitschrift Wissenschaft und Frieden: Chinas Welt? – Konflikte und Kooperation.

Blog posts

Beijing meldet Außenhandelsboom

Auch wenn Chinas Ansprüche auf große Teile der südostasiatischen Gewässer historisch und rechtlich auf wackligen Füßen stehen verschärft die US-amerikanische Politik die nationalistische Haltung Beijings und trägt dazu bei, die Konfrontation und die Militarisierung hochzuschaukeln. Insbesondere die kleineren Länder, die stets versucht haben, die Region aus Großmachtkonflikten herauszuhalten, werden gezwungen, sich für eine Seite zu entscheiden. Damit wird ein Forum für eine regionale Beilegung der Konflikte geschwächt. Mehr

‚Mare nostrum‘ in Südostasien

Die Konflikte um das Südchinesische Meer

Auch wenn Chinas Ansprüche auf große Teile der südostasiatischen Gewässer historisch und rechtlich auf wackligen Füßen stehen verschärft die US-amerikanische Politik die nationalistische Haltung Beijings und trägt dazu bei, die Konfrontation und die Militarisierung hochzuschaukeln. Insbesondere die kleineren Länder, die stets versucht haben, die Region aus Großmachtkonflikten herauszuhalten, werden gezwungen, sich für eine Seite zu entscheiden. Damit wird ein Forum für eine regionale Beilegung der Konflikte geschwächt. Mehr

News

Quote of the month:

When Chinese leader Xi Jinping announced the Belt and Road Initiative (BRI), he promised to “promote common development and prosperity so as to bring benefits to our people.” But nearly eight years later, the “people” that have benefited most from the BRI are predominantly men. But if Beijing wants true development to occur, it must recognize and begin closing the BRI’s gender divide.

Hope Marshall, The Gender Gap in China’s Belt and Road. CSIS Reconnecting Asia, August 12, 2021

Courting the Bride Africa

Just weeks before the 8th Forum on China-Africa Cooperation (FOCAC), which provides an organising mechanism for Chinese foreign policy towards Africa, kicked off in Dakar, Senegal, on 29-30 November, US Secretary of State Anthony Blinken visited Kenya, Nigeria and Senegal on his first official trip to Africa. The timing and his appeal for the ‚preservation of democracy in politically and ethnically fractured societies‘ clearly signals that this tour was intended to be part of the ‚systemic competition’ in Africa with Beijing. The present scramble for Africa is being intensified again after there was practically no effort to woo African countries to the US side during the presidency of Donald Trump, who infamously termed African countries s*&!-holes. Part of these efforts is the announcement on November 9, 2021, the US would provide $40 trillion in infrastructure investment that developing countries will need by 2035 and present the first projects to counter China’s Belt & Road in January 2022.

Hinweis: Anfang Dezember wird eine Einschätzung der Ergebnisse des Forums auf www.beltandroad.blog folgen.

Under Observation by the Regional Rival

The China Chronicles is a weekly web series published by the Indian Observer Research Foundation ORF that explores the rise of China as a global player along multiple axes: political, diplomatic, economic, social, and cultural. It aims to provoke a wider and more nuanced debate in India on the implications of a rising China as it implicates Asia and the wider world.

Kämpfe entlang der Seidenstraßen

Normalerweise würde ein Streik in einer Freihandelszone in Nordserbien keine Wellen bis ins Europa-Parlament schlagen. Doch die Umstände sind schon recht ungewöhnlich: Mitte November machten Proteste vietnamesischer Arbeiter auf der Baustelle für eine Fabrik des chinesischen Autoreifenstellers Linglong Tyre durch ein chinesisches Subunternehmen auf ihre katastrophalen Arbeits- und Lebensbedingungen aufmerksam, Medien sprechen von „sklavenähnlichen“ Verhältnissen. Chinas wichtigster Verbündeter in Osteuropa liefert damit denkbar schlechte Schlagzeilen für die Belt&Road-Ambitionen. Immer zahlreicher werden inzwischen Berichte, wie chinesische Unternehmen internationale Arbeitsstandards nicht nur in Ländern wie Serbien mit autoritärer Regierung und laxen Regulierungssystemen, sondern beispielsweise auch in den USA oder in der beschaulichen Ostalb in Baden-Württemberg unterlaufen und die ‚günstigen Standortbedingungen’ ausnutzen, mit denen Investoren um jeden Preis angelockt werden sollen.

Hinweis: Der Blog des Forum Arbeitswelten berichtet regelmäßig über Kämpfe und über Arbeits- und Lebensbedingungen in Betrieben chinesischer Unternehmen in China und im Ausland.

Belt&Road at the Webinar ‚China and the world’

The Belt &Road Initiative will be one of the six topics in the webinar ‚China and the world’ on December 8, 2021. The six week free introductory webinar series is organised among others by Transnational Institute (TNI), Asia Europe People’s Forum (AEPF), Gong Chao and Critical China Scholars. The first episodes on life in China, on the economic and on the  political system and on social movements can already be viewed on YouTube.

Besprechungen

Patrick Bond: Chinas Rolle in Afrikas Entwicklung

Die Meinungen über die Rolle Chinas in Afrika sind durchaus sehr kontrovers: Sie reichen von Zufriedenheit über den Ausbau der Infrastruktur als Voraussetzung für Handel, Investitionen und Integration des Kontinents, dessen Verkehrs- und Wirtschaftsstruktur in vieler Hinsicht immer noch kolonial geprägt sind, bis zur Klage über Ausbeutung und neokoloniale Eigeninteressen.

Patrick Bond ist ein ausgewiesener Kenner des Engagements Chinas insbesondere im Südlichen Afrika. Er argumentiert in seinem Beitrag von der Position aus, die auch im gemeinsam mit Ana Garcia 2015 herausgegebenen Buch ‚BRICS. An Anti-Capitalist Critique’ vertreten wird: China sei – ebenso wie die anderen vier Mitglieder des Blocks der Schwellenländer, BRICS (Brasilien, Russland, Indien und Südafrika) – im Kern ‚subimperialist’, “collaborating actively with imperialist expansion, assuming in this expansion the position of a key nation.

Bond untersucht die Rolle Chinas in der SADC, der „Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrikas“, der 14 Länder angehören, von Tansania im Norden bis Südafrika, von Angola und der Demokratischen Republik Kongo (DRC) im Westen bis Mosambik und Mauritius im Osten. Die meisten von ihnen sind Mitglieder der Belt&Road Initiative (BRI), aber auch Nicht-Mitglieder wie Mauritius und die DRC haben enge wirtschaftliche Beziehungen zu China.

Eine zentrale Aussage von Bond: Die Rolle Chinas besteht vielfach darin, die vielfältigen Probleme und Unterdrückungen Afrikas zu verstärken, „wenn auch nicht immer“. „It is vital to distinguish between functions that may assist the region in autonomous, sovereign self-development, on the one hand, and those that have negative implications for the region’s relationship to the world economy on the other.“ So wurde nicht nur Südafrika, sondern viele afrikanische Länder, deren Exporte nach China vor allem aus Rohstoffen wie Kohle, Kobalt, Gold oder Eisenerz bestehen, vom Rückgang der chinesischen Importe im vergangenen Jahrzehnt hart getroffen.

Nach einem Rückblick darauf, wie China von einem sozialistischen Land seit Ende der 1970er Jahre zu einer ‚subimperialistischen’  Macht wurde, und der Einordnung von Belt&Road als Versuch, einen Ausweg aus der Krise von Überkapazitäten und Überschuldung vieler Staatsbetriebe zu finden, schlussfolgert Bond, „the Chinese state is compelled to reconfigure Chinese capitalism on a much larger spatial dimension so as to sustain the capital accumulation and expansion” – und zwar teilweise auf Kosten von Ländern im Globalen Süden. Unter anderem verweist Bond auf direkte Interventionen der chinesischen Regierung in Südafrika, Zimbabwe und Angola im vergangenen Jahrzehnt, wenn ihr politische Entscheidungen missfielen.

Abschließend geht er ausführlich auf Chinas umstrittene Rolle bei einigen südafrikanischen Megaprojekten ein, die meisten, wenn nicht alle nach seiner Aussage eine logische Folge des korporativen/parastaatlichen „Mineralien-Energie-Komplexes“, der politische Korruption, missbräuchliche Verteilung von wirtschaftlichen Vorteilen, soziale Verwerfungen und ökologische Schäden miteinander verbindet:

+ Die Hafenerweiterung in Durban (bereits jetzt der größte Hafen in Afrika südlich der Sahara), die von der wichtigsten sozialen Bewegung in der Region, der South Durban Community Environmental Alliance, wegen der massiven Umweltverschmutzung und der Vertreibung entschieden abgelehnt wird und gegen die regelmäßig protestiert wird,

+ die eklatante Korruption beim Kauf von mehreren hundert Lokomotiven durch die staatliche Verkehrsbehörde, die für den Export von 18 Milliarden Tonnen Kohle aus der Provinz Limpopo im Rahmen eines 50-Milliarden-Dollar-Projekts zur Modernisierung der Bahn bestimmt waren,

+ eine Sonderwirtschaftszone ( SEZ) in Nelson Mandela Bay (ehemals Port Elizabeth) mit erheblichen Steuervorteilen, die die größte chinesische Einzelinvestition im verarbeitenden Gewerbe in Südafrika darstellt. Das Werk der Beijing Automobile Industrial Corporation (BAIC) wird von der Industrial Development Corporation (IDC) des südafrikanischen Staates mitfinanziert,

+ eine von China finanzierte 10-Milliarden-Dollar-Anlage für die Metallverarbeitung in einer der potenziell größten Sonderwirtschaftszone Südafrikas im geplanten Wirtschaftskorridor Musina-Mukhado.

+ und das größte im Bau befindliche Kohlekraftwerk der Welt (Kusile).

Patrick Bond erinnert aber auch daran, dass im Unterschied zu den jüngsten, vielfach negativen Aspekten von Chinas sozioökonomischen und ökologischen Aktivitäten sowie zu seiner geopolitischen Macht in Afrika viele Menschen im südlichen Afrika auch ein anderes Gesicht Chinas kennen, nicht nur das der ausbeuterischen staatlichen und privaten Firmen, die jetzt in der Region aktiv sind.

So formulierte Chinas erster Premierminister Zhou Enlai vor mehr als 55 Jahren ‘Acht Prinzipien’ für Chinas zwischenstaatliche Beziehungen mit Afrika. Teils haben sie Anklänge an das heutige, offizielle BRI-Narrativ wie gegenseitiger Nutzen, keine Konditionalisierung und kein Beitrag zu Überschuldung sowie eine wirksame Hilfe für die Empfängerländer bei der wirtschaftlichen Entwicklung. Bei anderen werden Unterschiede zur Gegenwart deutlich: Die Kooperation, so Zhou Enlai, sollte nicht zu Abhängigkeit von China führen, dem Empfängerland bei Projekten helfen, die wenig Kapital benötigen und sich schnell rentieren, sicherstellen, dass die bereitgestellte Technologie von den Einheimischen erlernt und beherrscht werden kann und chinesische und einheimische Arbeiter, Experten und Techniker gleichstellen.

Bond hofft auf eine Rückkehr zu dieser Solidarität: „To be sure, China’s role in Africa has often been honorable, and there are many reasons to admire and offer return solidarity to those forces which have consistently sought liberatory allies in Africa.“

Patrick Bond, China’s role in amplifying Southern Africa’s extreme uneven development. pdf: CADTM, 30 June 2021

Hinweis: Chinas Welt? Konflikte und Kooperation

Trotz des wieder aufgenommenen Gesprächsfadens zwischen der US-Regierung und der Regierung in Beijing bleibt der Konflikt in der indopazifischen Region brisant. Einen guten Überblick über die vielfältigen Aspekte dieser Konfrontation bietet die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift Wissenschaft und Frieden.  Behandelt wird unter anderem die „Konstruktion Chinas als Bedrohung“, das militärische Profil Chinas und der Umgang der EU mit dem fernöstlichen Konkurrenten.

Wissenschaft und Frieden 4/2021: Chinas Welt? – Konflikt und Kooperation. November 2021

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