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Uwe Hoering, Januar 2021, updated 4. Februar 2021
Seit Oktober 2020 hat Chinas Außenminister Wang Yi außer Vietnam jedes Land in Südostasien besucht. In Myanmar machte er bei seiner Initiative zur Pflege der Nachbarschaftsbeziehungen in der für China so wichtigen Region in der zweiten Januarwoche Station, genau zwölf Monate nach einem Staatsbesuch von Präsident Xi Jinping. Obwohl damals keine größeren neuen Projekte vereinbart wurden, wurde der Besuch von beiden Seiten als „neue Ära“ der Beziehung gehyped – große Worte gehören bekanntlich zur Grundausstattung von Staatsbesuchen. Ebenso gehört dazu seit der Corona-Pandemie die Ankündigung von Impfstofflieferungen, die Minister Wang Yi mit Angeboten zur vertieften wirtschaftlichen Zusammenarbeit kombinierte. Der Zeitpunkt für den Besuch war klug gewählt, nachdem die Partei der Regierungschefin Aung San Suu Kyi bei den Wahlen im November 2020 für eine zweite Amtszeit bestätigt worden war.
Geschrumpfte Ambitionen
Das Land hat in Pekings Plänen einen besonderen Stellenwert. In der Anfangszeit der neuen Seidenstraßen sollte der geplante Wirtschaftskorridor BCIM die regionale Integration von Myanmar, Bangladesch, Chinas Südwesten und Indiens Osten bringen. Doch der Vierer kommt nicht so richtig voran, unter anderem weil Indien darin eine Herausforderung für seine eigenen Ambitionen als Regionalmacht sieht. Seither verlegt sich China eher auf bilaterale Beziehungen mit Bangladesch und Myanmar, zu dem zu Zeiten der früheren Militärregierung enge politische und wirtschaftliche Bande bestanden. Nach deren Abkühlung nach der wirtschaftlichen und politischen Öffnung 2011 und der Hinwendung zum Westen intensivieren sie sich wieder, seit die Regierung wegen der Massenvertreibung der Rohingya nach Bangladesch international zunehmend isoliert ist.
Bereits vor gut drei Jahren wurde BCIM auf ein bilaterales Projekt geschrumpft, den China Myanmar Economic Corridor (CMEC).
Bereits vor gut drei Jahren wurde BCIM auf ein bilaterales Projekt geschrumpft, den China Myanmar Economic Corridor (CMEC). Zusätzlich zu den bestehenden Öl- und Gas-Pipelines zwischen dem Indischen Ozean und Chinas südwestlicher Yunnan-Provinz soll ein Netzwerk von Bahnstrecken, Straßen und neuen Städten entstehen. Doch auch in diesem Fall ist der Fortschritt schleppend und durch die Auswirkungen von Corona noch einmal verlangsamt. Unter anderem wurde der Ausbau des Tiefseehafens Kyaukphyu als Brückenkopf für den Zugang des Südwestens Chinas zum Meer und einer riesigen Sonderwirtschaftszone aus Furcht vor Schulden und Überdimensionierung gebremst.
Alternatives Entwicklungsmodell
Amara Thiha, Wissenschaftler am Myanmar Institute for Peace and Security (MIPS) sieht denn auch Ansätze für ein „alternatives Modell“ des Engagements Chinas in Myanmar, das wirtschaftlich tragfähiger ist und seine strategischen Stärken, Innovation und Technologie besser nutzt, um seinen Einfluss auszuweiten.
So haben im Energiesektor Unternehmen aus China den Zuschlag für fast alle Solarenergie-Vorhaben bekommen. Sie liefern die Ausrüstung, die zumeist durch staatliche chinesische Banken finanziert wird, einheimische Partnerunternehmen stellen das Land bereit – und sind damit dafür verantwortlich, dass Streitigkeiten mit der Bevölkerung beigelegt werden.
Auch im Internethandel und bei mobilen Bezahldiensten steigen chinesische Unternehmen groß ein: Im Mai 2020 verkündete das FinTech Ant Financial, eine Tochter der Alibaba-Gruppe, eine Millionen-Investition in Myanmars führenden Bezahldienst an, die Mutter selbst übernahm die größte e-commerce-Plattform. Myanmars größte Privatkundenbank arbeitet mit Huawei zusammen, um ihr Internet-Banking auszubauen.
Als dritten Bereich des alternativen Modells nennt Amara Thiha die Ausstattung von Mandalay, der zweitgrößten Stadt, und der Hauptstadt Naypyidaw mit Überwachungssystemen, Gesichtserkennung eingeschlossen. Chinesische Unternehmen haben hierbei keine Konkurrenz zu befürchten und können auf Aufträge für weitere „safe cities“ hoffen.
Selbst ohne die Fertigstellung weiterer großer Infrastrukturprojekte im Rahmen des Wirtschaftskorridors CMEC wird Pekings Dominanz vielschichtiger.
Diese Erschließung zusätzlicher Geschäftsfelder deckt sich mit der neuen Wirtschaftspolitik Pekings, die angesichts des Handelskrieges mit den USA die Diversifizierung sucht. Selbst ohne die Fertigstellung weiterer großer Infrastrukturprojekte im Rahmen des Wirtschaftskorridors CMEC wird Pekings Dominanz vielschichtiger.
Gleichzeitig sind diese Bereiche weniger kontrovers als chinesische Großprojekte wie der Myitsone-Staudamm, den die Regierung in Naypyidaw nach heftigen Protesten gestoppt hat, der Bau der Öl- und Gaspipelines, der seit 2009 gegen verbreiteten Widerstand durchgesetzt wurde, oder das neueste Prestige-Projekt New Yangon City, ein riesiges Stadtentwicklungsprojekt, das durch den staatlichen Baukonzern CCCC geplant wird. Statt Umweltzerstörung und Vertreibungen versprechen solche Investitionen sogar einen Beitrag zum Umweltschutz – eine ‚Grüne Entwicklung’ durch China.
Peking als Friedensstifter
Allerdings hat daneben der weitere Ausbau des Hafens Kyaukphyu für China nach wie vor eine „kristallklare Priorität“, so Amara Thiha. Ohne ihn seien Investitionen in Myanmar angesichts politischer Instabilität durch zahlreiche bewaffnete Konflikte mit ethnischen Minderheiten und starker Vorbehalte gegen chinesisches Engagement wenig attraktiv. Peking sei weniger als früher daran interessiert, sich mit großzügigen Krediten Freunde zu kaufen. Vorrang hätten jetzt wirtschaftliche Tragfähigkeit und strategischer Nutzen.
„Peking ist nicht mehr daran interessiert, Gelder an seine Freunde zu verteilen. Jetzt haben Wirtschaftlichkeit und strategischer Nutzen Vorrang.“
Amara Thiha
Für die Umsetzung der ehrgeizigen Pläne für Kyaukphyu gibt es jedoch ein neues Hindernis: Im Bundesstaat Rakhine, in dem Hafen und Wirtschaftszone liegen, kommt es seit knapp drei Jahren zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen dem Militär und der Arakan Army, einer ethnischen Regionalbewegung. Mehr als 230.000 Menschen seien mittlerweile vertrieben, hunderte getötet worden. Es gibt Berichte, dass die angespannte Lage und die Corona-Pandemie genutzt werden, um den Aufkauf von Land für Investitionsvorhaben voranzutreiben. Menschen würden eingeschüchtert, Projekte durchgepeitscht.
Ein Waffenstillstand aus Anlass der Wahlen im Oktober vergangenen Jahres brachte etwas Hoffnung. Und Peking bietet sich nicht nur als Impfstofflieferant und wirtschaftlicher Kooperationspartner an, sondern auch als Friedensstifter: Außenminister Wang Yi versprach Unterstützung bei der Lösung von Myanmars zahllosen ethnischen Konflikten – nicht ohne eigene Interessen.
Update 4. Februar 2021
Ein Quick-Check zeigt, dass die ersten Reaktionen aus China auf den Sturz der gewählten Regierung in Myanmar eher zurückhaltend ausfallen. Medien wie Global Times und Regierungssprecher zögern, ihn als Militärputsch zu bezeichnen, unter Verweis darauf, nicht vorschnell über innere Angelegenheiten urteilen zu wollen. Kommentatoren nutzen die Gelegenheit, Myanmar als ein weiteres Beispiel für das Scheitern des westlichen Modells von Demokratie zu bemühen. Umgekehrt wurde der Putsch in westlichen Kommentaren genutzt, um einmal mehr Klage über Chinas geopolitische Ambitionen zu führen. Die meisten westlichen Einschätzungen erwarten, dass das wiederauferstandene Militärregime, wenn es denn Bestand haben sollte, chinesischen Planungen helfen wird – Unterstellungen über eine chinesische Hand im Spiel eingeschlossen.
Unstrittig ist, dass Peking zwar die Beziehungen zu Aung San Suu Kyi pflegte, doch auch seine guten Kontakte zum militärischen politisch-wirtschaftlichen Komplex aufrecht erhalten hat. Erste Reaktionen ausländischer Unternehmen, Investitionen einzufrieren, und eventuell Sanktionen des Westens öffnen sicherlich die Spielräume für chinesisches Engagement. Und kontroverse Projekte wie der Tiefseehafen Kyaukpyu und der Myitsone-Staudamm lassen sich mit einer Militärregierung möglicherweise leichter durchsetzen. Andererseits kann Instabilität die chinesischen Investitionen und Pläne beeinträchtigen. Und es heißt auch, dass auch im Militär starke Vorbehalte gegen eine zu starke Dominanz Chinas bestehen würden – allerdings: Wenn wie in den vergangenen zehn Jahren zukünftig die Möglichkeiten fehlen, chinesischen Einfluss mit Investitionen aus Asien oder Hilfen aus dem Westen auszubalancieren ….?