‚Bäumchen wechselt euch’ in der Mekong-Region

China, Geopolitik und der Globale Süden

Uwe Hoering, 23. April 2024

Der Konflikt zwischen den USA und China spaltet zunehmend auch die südostasiatische Staatengemeinschaft ASEAN. Nachdem die Regierung der Philippinen mit Rückendeckung aus Washington die Konfrontation im Südchinesischen Meer anheizt, sortieren anscheinend auch die Regierungen in Kambodscha und Vietnam, bislang enge Verbündete, ihre Beziehungen neu.

Aktuell sorgt der geplante Bau des 180 Kilometer langen Funan Techo-Kanal, der einen Hafen unweit der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh mit dem Tiefseehafen bei Sihanoukville am Golf von Thailand verbinden soll, für gereizte Stimmung. Der Auftrag zum Bau ging an die staatliche China Bridge and Road Corporation (CBRC), die bereits an zahlreichen Infra-strukturprojekten wie der Autobahn nach Sihanoukville beteiligt ist.

Der vietnamesische Nachbar äußert Bedenken über mögliche negative Auswirkungen für seine wichtigen Reisanbaugebiete im Mekong-Delta. Der Wasserweg könne aber im Konfliktfall auch durch chinesische Kriegsschiffe genutzt werden, so Spekulationen, denen sich auch US-amerikanische Kommentare anschließen. Seit Längerem werden China Ambitionen für den Bau eines Marinestützpunkts an der kambodschanischen Südküste nachgesagt. Dass Kambodschas früherer Präsident Hun Sen, der im August 2023 die Macht an seinen Sohn Hun Manet übergeben hat, höchstpersönlich die Kritik in sozialen Medien als haltlos zurückweist, zeigt, welche Bedeutung das Thema hat.

Der Streit um das Wasser des Mekong schwelt seit Jahrzehnten. Und auch Brian Eyler vom US-amerikanischen Stimson Center und ein profunder Kenner der Region hält schwerwiegende Veränderungen im empfindlichen Wasserhaushalt der Landwirtschaft von Kambodscha und Vietnam für möglich: „In my opinion, this canal will have profound environmental transboundary impacts“. (link) Vermitteln könnte die Mekong River Commission (MRC), die das Wassermanagement in der Region koordinieren soll. Doch bislang steht die Regierung in Phnom Penh auf dem Standpunkt, die Kommission sei in diesem Fall nicht zuständig.

Auch darauf, dass Vietnam, über dessen Häfen bislang ein großer Teil des Außenhandels von Kambodscha mit Textilien und Rohstoffen abgewickelt wird, durch den neuen Wasserweg eine wichtige Einnahmequelle verlieren würde, reagiert die kambodschanische Regierung ‚souverän’ und verteidigt ihr Recht, die Abhängigkeit vom Nachbarn zu verringern. Das Kanalprojekt wird von Beobachtern denn auch als Zeichen gedeutet, dass die Regierung von Hun Mant auf stärkere Distanz zu Vietnam gehen will. Denn geopolitisch driften die beiden Länder auseinander.

Sprengsatz Südchinesisches Meer

Zwar sind beide wirtschaftlich eng mit China verkoppelt. China ist Kambodschas größter Handelspartner, annähernd die Hälfte aller Investitionen aus dem Ausland zwischen 1994 und 2021 kamen aus China. Dadurch wurde der früher starke Einfluss Vietnams auf die Regierung unter Hun Sen zunehmend zurückgedrängt. Sinnbild für die wachsende chinesische Präsenz ist die Entwicklung des Ferienortes Sihanoukville zum Touristen- und Spielerparadies. Kritiker beklagen aber auch, dass die chinesischen Investitionen vor allem der Machtelite zugute kommen anstatt der Bevölkerungsmehrheit. Um den verbreiteten Vorwurf zu entkräften, dass die zahlreichen Großprojekte das Land in die ‚Schuldenfalle’ führen würden, sollen die Kosten für das Kanalprojekt deshalb jetzt nach Fertigstellung über Nutzungsgebühren finanziert werden.

Auch Vietnam hat seine wirtschaftlichen Beziehungen mit China, das nach Angaben der Weltbank inzwischen sein größter Handelspartner ist, immer stärker ausgebaut. 2021 kam ein Drittel aller vietnamesischen Importe mit einem Volumen von rund 110 Milliarden US-Dollar aus China, Güter und Waren im Wert von rund 56 Milliarden US-Dollar gingen in die andere Richtung. Inzwischen scheint die Regierung in Hanoi auch ihre bisherige Zurückhaltung gegenüber einer engen Einbindung in Belt&Road zu lockern (link).

Gleichzeitig liegt die kommunistische Regierung in Hanoi mit Beijing im Streit um die wechselseitigen Ansprüche im Südchinesischen Meer, die immer wieder zu Spannungen und bewaffneten Konflikten geführt haben. Als sicherheitspolitisches Hedging gegen China betreibt sie daher eine Annäherung an die USA. Beim Besuch von US-Präsident Joe Biden im September 2023 wurde ein Abkommen unterzeichnet, mit dem die diplomatischen Beziehungen zu einer «umfassenden strategischen Partnerschaft» aufgewertet werden, ähnliche Abkommen folgten mit den US- Alliierten im Pazifik, Japan und Australien.

„Der südostasiatischen Regionalorganisation ASEAN, die sich als ‚blockfreier’ Stabilitäts- und Friedensfaktor für die Region versteht, droht eine zunehmende Spaltung.

Der südostasiatischen Regionalorganisation ASEAN, die sich selbst als ‚blockfreier’ Stabilitäts- und Friedensfaktor für die Region versteht, droht damit eine zunehmende Spaltung. Seit Jahrzehnten versucht sie, den Konflikt um das Südchinesische Meer, in dem neben Vietnam auch andere Anrainerstaaten wie die Philippinen Ansprüche erheben, zu lösen. Bei den festgefahrenen Verhandlungen im Rahmen der ASEAN über einen Verhaltenskodex, der die Konflikte entschärfen würde, könnte Phnom Penh, das kein Anrainer des Südchinesischen Meeres ist, für Beijing ein wichtiger politischer Verbündeter sein. In den vergangenen Jahren hat Kambodscha zudem die einstigen engen militärischen Beziehungen mit den Vereinigten Staaten gekappt. Neben dem Nachbarn Laos, das bereits aufs Engste mit China integriert ist, hätte Beijing einen weiteren stabilen Partner in der explosiven Region.

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