Chinas Tchernobyl?

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Uwe Hoering, Juli/August 2020

Die Corona-Krise könnte »Chinas Tschernobyl« sein, orakelte ein Kommentator in der Zeitschrift The Diplomat. Bricht China also bald auseinander – so wie die Sowjetunion fünf Jahre nach der Atomkatastrophe in der Ukraine am Ende war?

Imageprobleme

Geschichte wiederholt sich nicht, heißt es. Aber tatsächlich ist die Corona-Krise für die Regierung in Peking eine Herausforderung. Sie gefährdet ihre Ambitionen, die Volksrepublik bis 2049, ihrem 100. Gründungsjubiläum, zu einer vollumfänglichen Großmacht zu machen. Der geopolitische Konflikt mit den USA hat sich dabei verschärft. Peking hat – nicht ganz ohne eigenes Verschulden – US-Präsident Trump ein Narrativ geliefert, dass China für die Corona-Krise, und damit für die wirtschaftliche Rezession und menschliches Leid, verantwortlich sei. Ähnlich wie bei der Tschernobyl-Katastrophe waren die ersten Wochen von Chinas Corona-Politik gelinde gesagt holprig. Es gab Vorwürfe, der Staat habe zu spät reagiert, Warnungen missachtet und verschleiert, sowie Berichte über Unmut und Proteste in der Bevölkerung. Es drohte ein innenpolitischer Legitimations-GAU. Umso drakonischer dann die Maßnahmen wie die Totalblockade der Industriemetropole Wuhan, was der Regierung zunächst höchs-tes Lob einbrachte: Trump dankte am 24. Januar Chinas Präsident Xi Jinping für den Einsatz, das Virus einzudämmen: »Die Vereinigten Staaten würdigen die Anstrengungen und die Transparenz.«

Nachdem Regierungen in anderen Ländern – ebenfalls mit Verzögerungen – gewahr wurden, dass das Virus sich globalisiert, wurden Lockups, Shutdowns, Reisebeschränkungen à la chinoise zur häufig imitierten Blaupause. Das Motto war nun: »Von China lernen …«. Und mit dem zwei Monate später offiziell verkündeten Nullwachstum von Neuinfektionen konnte Xi Jinping sein Image als erfolgreicher Viren-Bändiger wiederherstellen.

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