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Christa Wichterich / Uwe Hoering, Dezember 2019
Mit dem Bau der Neuen Seidenstraßen versprach China unter anderem einen weltweiten Schub für die Entwicklung vieler ärmerer Länder – die einzelnen Projekte aber stützen vor allem die wirtschaftlichen Interessen des «Reiches der Mitte». Viele der Projekte greifen massiv in die Natur ein und in die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort. Oder sie tragen zur Klimakrise bei.
Lautstark hat die chinesische Regierung die Neuen Seidenstraßen angepriesen: Es wird nur Gewinner geben, hieß es. Dreistellige Milliarden-Investitionen in Transportwege vor allem in Asien, Zentral- und Osteuropa sowie Afrika würden einen weltweiten Entwicklungsschub bringen und der in die Krise geratenen Globalisierung neuen Schwung geben. Doch in die anfänglich verbreitete Euphorie über das offiziell als BRI, als «Belt and Road Initiative», bezeichnete ehrgeizige Projekt mischen sich sechs Jahre nach seiner Ankündigung durch Staats- und Parteichef Xi Jinping zunehmend Skepsis, ja, schwerwiegende Bedenken.
Die Ankunft der wöchentlich rund 40 Güterzüge aus China in Duisburg ist mittlerweile Routine. Das Pilotprojekt hat dem weltweit größten Binnenhafen neuen Schwung gebracht, berichtet Hafenmanager Detlef Bours. Die zweiwöchige Fahrt von Zentralchina durch Kasachstan, Russland und Polen ist doppelt so schnell wie der Seeweg und dank kräftiger Subventionen weitaus preiswerter als Luftfracht. Chinesischen Unternehmen bieten die inzwischen zahlreichen Bahnverbindungen einen zusätzlichen Zugang zu ihrem zweitwichtigsten Absatzmarkt, zurück bringen sie vor allem Luxusgüter, Wein oder Nobelkarossen. Für Duisburg und andere logistische Umschlagzentren wie Lodz in Polen oder Khorgas an der chinesisch-kasachischen Grenze sind sie eine Hoffnung, für China ist die ökonomische Bedeutung dagegen gering. Dafür haben sie hohe Symbolkraft. Sie sind Aushängeschilder für China als Macher. Und ähnlich wie die historischen Seidenstraßen in früheren Jahrhunderten verbinden sie die eurasischen Länder durch Handel und kulturellen Austausch – und würden damit, so das offizielle Narrativ, auch der Völkerverständigung dienen.
Natürlich wickelt China nach wie vor den größten Teil seines Außenhandels auf dem Seeweg ab. Unter dem Etikett der Maritimen Seidenstraße des 21. Jahrhunderts werden Häfen in Südostasien, rund um den Indischen Ozean, in arabischen Ländern und an den Küsten Afrikas durch staatsnahe oder staatliche Unternehmen aus China ausgebaut, finanziert mit Milliarden-Krediten aus Peking. Ein illustres Gegenstück zu Duisburg auf dem Landweg ist der Hafen von Piräus. In der Krise waren chinesische Investoren willkommen. Der chinesische Reedereikonzern COSCO machte in den vergangenen Jahren Piräus zu einem der am schnellsten wachsenden Häfen weltweit. Weitere Planungen für noch mehr Kreuzfahrtschiffe, Hotels und Einkaufszentren für chinesische Touristen sind angedacht, ebenso wie ein Ausbau der Transportverbindungen nach Ost- und Zentraleuropa.
Volltext: Wichterich/Hoering, Highway oder Sackgasse. Heinrich-Böll-Stiftung, Dezember 2020